Die Insel Der Tausend Quellen
Herrenabend geht es wohl um die Maroons. Sie planen wieder mal, Queen Nanny auszuräuchern. Und da brauchen sie jeden Mann.«
»Die kriegen sie doch nicht«, lächelte Máanu. »Also gut, Samstag. Ich sage es den Dienern im Haus.«
Einige Zeit nachdem Máanu gegangen war, näherte sich Akwasi der Hütte des Obeah-Mannes. Es war spät, die meisten Sklaven waren bereits in ihren Hütten, aber Akwasi hatte den Schutz der Dunkelheit gebraucht, um den Sack mit dem Huhn aus seinem Versteck zu holen. Zum Glück war das Tier noch am Leben.
»Großer Obeah-Mann, Herr der Geister, ich möchte, dass du ein Ritual für mich durchführst«, bat Akwasi ehrfürchtig.
Kwadwo runzelte die Stirn. »Niemand beherrscht die Geister«, gab er zurück. »Aber ich kann sie für dich rufen, wenn du ein Opfertier bereitstellst. Vielleicht verrätst du mir noch dein Begehren?«
Akwasi nickte eifrig. »Ich bin in Liebe zu einer Frau entbrannt«, sagte er. »Aber sie ist wie blind, sie scheint mich nicht zu sehen. Diesen Bann möchte ich lösen. Ich will, dass sie mich liebt.«
Kwadwo hätte beinahe gelächelt. »So einfach ist das nicht«, beschied er allerdings auch diesen Kunden. »Ich kann da nichts erzwingen. Aber ich werde einen Duppy rufen, der von Begierde getrieben ist. Er wird sich dir zugesellen, und wenn du es dann schaffst, nach der Zeremonie ein Treffen mit der jungen Frau herbeizuführen, dann wird er ihren Körper besetzen. Die junge Frau wird dann vor Liebe brennen … zumindest eine Nacht.«
Akwasi nickte. »Das reicht«, sagte er. »Wenn sie mich einmal gespürt hat, wenn sie mir einmal nahe ist, dann wird sie mir verfallen. Da bin ich sicher!«
Kwadwo schmunzelte jetzt wirklich. An Selbstzweifeln litt der riesige Feldsklave zumindest nicht. Aber in diesem Fall durfte er auch kaum enttäuscht werden. Sehr seltsam, dass er und das Mädchen nicht auch ohne Hilfe der Geister zueinandergefunden hatten.
Aber Kwadwo war bereit, dies als eine Fügung zu sehen. Die Geister wollten eine Beschwörung, sie stand lange schon aus. Kwadwo rief die heimliche Versammlung der Sklaven jedoch nur ein, wenn einer von ihnen ein Opfertier zur Verfügung stellte. Er selbst stahl keine Hühner.
»Samstagnacht«, sagte er ruhig.
Akwasi nickte wieder. »Ich sage es den Feldniggern.«
KAPITEL 7
N ora kannte ihr Personal inzwischen längst gut genug, um schnell zu merken, dass unter den Schwarzen etwas vorging. In der Küche wurde viel mehr getuschelt als sonst – und vor allem verstummten die Mädchen und Hausdiener zu plötzlich, wenn sie ihrer Herrin ansichtig wurden. Nora verbot ihnen nicht, während der Arbeit zu singen und zu schwatzen, es bestand also nicht wirklich ein Grund für Heimlichkeiten. Schließlich versuchte sie diplomatisch geschickt, Máanu auszuhorchen. Vielleicht ging es ja um die Maroons und die von den Pflanzern gegen sie geplante Strafexpedition.
»Macht ihr euch Sorgen um die freien Schwarzen?«, erkundigte sie sich.
Máanu zuckte auf ihre charakteristische Art die Schultern. »Wir haben unsere eigenen Sorgen«, meinte sie abweisend. »Warum sollen wir uns mit Leuten beschäftigen, die weit weg wohnen und mit denen wir nichts zu tun haben?«
Nora wunderte sich. »Aber sie … sie setzen sich doch für euch ein. Ich denke, diese Granny Nanny befreit Sklaven.«
Máanu lachte rau. »Missis, sie sagen, sie hätte achthundert Sklaven befreit. Das kann wahr sein, muss aber nicht. Und selbst wenn’s so wär: Allein auf dieser Plantage gibt es zweihundertsiebzig, bei Hollister und bei Keensley je noch mal so viele. Da könnte sie bei drei Überfällen schon achthundert loseisen. Und sie machen viel mehr Überfälle …«
»Was bedeutet?«, fragte Nora verwirrt.
Máanu hatte Recht! Bisher hatte sie nie näher darüber nachgedacht, aber für die zahlreichen Überfälle, die den Windward Maroons zugeschrieben wurden, waren achthundert befreite Sklaven lächerlich wenig.
Máanu machte erneut ihre Geste des Nichtwissens oder Nichtwissen-Wollens. »Viele trauen sich nicht. Die haben vor den Maroons mehr Angst als vor den Backras. Und die Haussklaven werden meistens gar nicht erst gefragt, die bringen sie um, Missis, zusammen mit den Backras. Bleiben ein paar Feldnigger. Aber bis die mitkriegen, dass sich ihnen da die Chance ihres Lebens bietet, sind die Maroons meistens schon wieder weg. Dann können sie ihnen höchstens noch nachrennen – und sie werden mit ziemlicher Sicherheit geschnappt.«
Über diese neuen
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