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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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Kingston hinter sich gelassen hatte. Rund um die Stadt lagen Plantagen, dann musste sie sich in Richtung der dunkel aufragenden Berge halten. In der ersten Nacht war sie vor Furcht, entdeckt und aufgegriffen zu werden, fast gestorben. Ein Aufseher, der patrouillierte, ein Pflanzer, der von einem Besuch in Kingston zurückkehrte, im schlimmsten Fall ein Suchtrupp, der hinter einem anderen entlaufenen Sklaven her war – und im allerschlimmsten Fall eine Suchaktion, die ihr selbst galt. Nora musste ihr Fehlen schließlich gleich am Abend aufgefallen sein. Wenn sie dann sofort den Backra informiert hatte …
    Máanu hatte jedoch Glück. Sie ließ bei Tagesanbruch die Pflanzungen hinter sich und erreichte die Ausläufer der Blue Mountains. Seitdem ging es immer höher. Sie bahnte sich den Weg zwischen Palmen und Bambusgewächsen die Hügel hinauf, erst weiter oben dominierten Flechten und Buschwerk. Máanu durchwatete Bäche und schwamm durch Flüsse, aber die junge Frau hatte keinen Blick für die Schönheit der Berge. Sie musste sich beeilen, ihre Mission war die letzte Hoffnung für Mansah. Also schlug sie sich durch, immer nach Norden oder Nordosten. Irgendwo dort war Portland Parish. Irgendwo dort lag Nanny Town.
    Die Maroons fanden das erschöpfte Mädchen dann am zweiten Tag seiner Wanderung. Máanu war fast froh darüber, sie war müde und hungrig. Der wenige Proviant, den sie bei ihrer überstürzten Flucht mitgenommen hatte, war längst verzehrt. Dennoch erschrak sie, als plötzlich ein Horn ertönte und zwei große schwarze Männer aus dem Busch traten.
    »Wer du bist? Wo du hingehen? Was du willst?« Der ältere der beiden schoss Fragen auf sie ab.
    »Máanu«, stellte Máanu sich vor. »Ich bin weggelaufen. Von einer Plantage hinter Spanish Town, Cascarilla Gardens …«
    »Große Pflanzung«, sagte der Mann mit einem Nicken. »Fortnam. Elias Fortnam.«
    Máanu nickte. »Ich will nach Nanny Town. Ich muss mit der Queen sprechen.«
    Die Männer lachten. »Fragt sich, ob Queen sprechen will mit kleine Sklavenmädchen«, höhnte der Jüngere.
    »Bringt mich einfach hin«, sagte Máanu entschlossen. »Das … Dies ist doch Portland Parish?«
    »Ist Land von Queen Nanny und King Quao«, bestätigte der ältere. »Aber wir nicht wissen, du allein? Du nicht führen Jäger hier? Ist komisch, kleine Mädchen, die kommt allein …«
    »Ich bin kein kleines Mädchen!«, fauchte Máanu. »Ich bin eine Frau, und ich komme, um die Queen zu sehen. Man sagt, sie ist Baarm Madda …«
    Angeblich verfügte Granny Nanny über Kenntnisse der Kräuterheilkunde.
    Erneutes Gelächter. »Und da ihr haben keine eigene auf Plantage?«, fragte der Jüngere.
    Máanu hielt seinem Blick stand. »Keine, die über so mächtige Geister gebietet!«, sagte sie dann.
    »Dich schickt Obeah-Mann?«, fragte der ältere, etwas verunsichert.
    »Mich schickt keiner! Oder doch. Mich schicken … Mich schicken vier Duppies. Vier Duppies, die Rache fordern. Sie … sie können sehr wütend werden, wenn man sich ihnen in den Weg stellt.«
    Máanu versuchte, möglichst viel Überzeugungskraft in ihre Worte zu legen. Obwohl sie nicht glaubte, dass die Geister von vier kleinen Mädchen sehr viel Gewicht hatten. Aber bis hierher hatten sie Máanu immerhin erfolgreich geleitet.
    »Wir sie bringen nach Nanny Town«, beschloss der ältere der Männer nun endlich. »Soll sie sagen da, was will …«
    Máanu atmete auf, obwohl sie sich sagte, dass den Männern im Grunde nicht viel anderes übrig blieb. Natürlich konnten sie das Mädchen einfach weiter herumirren lassen oder gar töten, aber Máanu konnte sich nicht vorstellen, dass man die Wächter von Nanny Town mit solch einem Auftrag in den Busch schickte. Beinahe, so stellte sie dann fest, hätte sie die Siedlung sogar allein gefunden. Sie folgte den Männern nur gerade mal eine halbe Stunde lang über zugewucherte Dschungelpfade, bis sie den Stony River erreichten. Von hier aus war die Siedlung gut sichtbar, niemand hatte sich die Mühe gemacht, sie zu tarnen. Aber das war im Grunde auch nicht nötig. Man brauchte keine Ahnung von Strategie zu haben, um zu erkennen, dass hier eher auf Verteidigung gesetzt wurde denn auf Verstecken. Nanny Town lag auf einem Bergkamm mit hervorragendem Blick über den Fluss. Niemand konnte sich dem Dorf nähern oder gar den Fluss überqueren, ohne gesehen zu werden. Und Máanu sah nun auch, warum man die Siedlung Stadt nannte. Sie war tatsächlich sehr viel größer als die

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