Die Insel Der Tausend Quellen
Sklavendörfer auf den Plantagen. Sicher standen über hundert zum Teil recht große Hütten und Häuser auf dem Hügel, um sie herum erstreckten sich Gärten und Felder.
Máanu und ihre Führer setzten mit einem Floß über den Fluss und erklommen den Bergkamm dann über steile Pfade. Ein Angreifer hatte hier keine Chance. Niemand konnte sich den Weg hinauf erkämpfen, man brauchte oft beide Hände, um sich an Felswänden abzustützen. Máanu war ein wenig außer Atem, als sie oben ankamen.
»Was nun?«, fragte einer der Männer den anderen. »Wir sie wirklich bringen zu Queen?«
Máanu wartete geduldig. Die Kerle machten sich wichtig, aber wenn man ein wenig nachdachte, war klar, dass sie Neuankömmlinge irgendwo melden mussten. Sicher fanden sie oft entlaufene Sklaven, und zweifellos verhörte man sie, bevor man ihnen erlaubte, zu bleiben und zu siedeln. Vielleicht taten Nanny und ihr Bruder Quao das nicht selbst, aber die Leute, die solche Verhöre durchführten, waren sicher wichtig. Máanu konnte ihnen ihr Anliegen schildern.
Tatsächlich führte man sie dann zu einem Haus in der Mitte des Dorfes. Eine runde Hütte, ganz anders als die Sklavenquartiere auf den Plantagen – wahrscheinlich hatte hier jemand so gebaut, wie er es von Afrika her gewöhnt war. Máanus Hoffnung stieg. Vielleicht lernte sie ja wirklich die Queen kennen. Wenn es ihr nur gelang, sie auch zu überzeugen. Wenn sie nur auf die Bitte eines abgerissenen, verzweifelten Sklavenmädchens hören würde …
Máanus Herz klopfte heftig, aber sie musste stark sein. Die junge Frau warf einen verstohlenen Blick über die linke Schulter und zog Trost aus dem Lächeln eines kleinen, kraushaarigen Geistes.
Elias Fortnam tobte, als Nora ihm schließlich gestand, dass ihre Zofe Máanu seit vier Tagen verschwunden war.
»Ich habe sie zu Keensley geschickt. Eine der Heilerinnen dort hat spezielle Kräuter. Aber dann kam sie nicht zurück«, fasste Nora ihre Geschichte zusammen.
»Und du wartest mehrere Tage, bevor du mir davon berichtest?«, brüllte Fortnam sie an. »Herrgott, Weib, zur Keensley-Plantage kommt sie in einem Tag. Hin und zurück!«
»Ich nahm an, sie wäre noch bei der Baarm Madda geblieben«, entschuldigte sich Nora. »Die Kräuter hat sie ja nicht immer vorrätig und …«
»Und da sollte deine Zofe nun danebensitzen und warten, bis sie nachgewachsen sind oder was? Was sollte das überhaupt? Zu Keensleys schicken wegen einer Pflanze … Wächst bei Keensleys was, was hier nicht wächst? Und konnte man da nicht rasch einen Pferdeburschen rüberschicken? Máanu ist eine Zofe, Nora, eine Zofe! Sie soll Haare aufstecken, Kleider instand halten, dir beim Ankleiden behilflich sein. Die ist wertvoll, Nora, so eine Zofe, die schickt man nicht los, ein paar Kräuter zu holen, und sagt nicht mal, wann sie zurück zu sein hat.« Elias wanderte verärgert im Zimmer umher.
»Eben weil sie eine Haussklavin war«, führte Nora an. »Ich … ich hab ihr vertraut …«
»Na, dann hast du ja jetzt wenigstens was gelernt!«, höhnte Elias. »Vertrau nie einem Nigger! Hätten wir allerdings billiger haben können. So kostet mich dein Lernen zweihundert Pfund!«
»Wenn sie verschwunden bleibt«, begütigte Doug. »Aber wir werden sie doch wieder einfangen. Und wer weiß, vielleicht kommt sie sogar von selbst zurück.«
»Sicher! Weil sie nur eben mal eine Tante besuchen wollte«, lachte Elias. »So wird’s sein. Und wovon träumen Niggerfreunde nachts?«
»Wie auch immer, sie war meine Sklavin«, erklärte Nora jetzt würdevoll. »Sie gehörte mir, wenn sie weg ist, ist es mein Verlust. Ich …«
»Ach, so hast du sie also auch selbst bezahlt, ja?« Elias’ Stimme klang jetzt drohend. »Nora, meine Liebe, wie’s aussieht, hast du noch sehr viel zu lernen. Hier, Nora, gehört dir nichts! Zumindest sicher nicht das lebende Inventar. Das fehlte noch, dass du die Verfügungsgewalt über die Nigger kriegtest, die würden ja verwöhnt und gepäppelt, bis sie platzen! Das Niggerweib gehört mir, nur mir, und nun werden wir versuchen, es wiederzukriegen. Auch wenn’s nach ’ner halben Woche mehr als schlecht dafür aussieht. Aber ich kümmere mich gleich um Keensleys Hunde. Die können dann ja sofort Witterung aufnehmen – falls sie wirklich bei dieser Niggerhexe war.«
Er rauschte hinaus und ließ Nora stehen, die plötzlich sehr genau wusste, wie sich Doug vierzehn Jahre zuvor gefühlt haben musste, als man ihm Akwasi wegnahm. Für den Jungen
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