Die Insel Der Tausend Quellen
Backra?«
Adweas Stimme klang nicht so aufgebracht wie sonst, wenn sie, was gelegentlich vorkam, mit ihrer Tochter zankte. Sie wirkte eher verzweifelt und resigniert.
»Irgendwas musst du machen können. Schick sie einfach nicht ins Haus. Frag die Missis, ob sie dir ein paar Feldnigger ins Haus schickt, so schwer kann das doch nicht sein, ihnen beizubringen, wie man Möbel poliert. Aber Mansah lässt du nicht aus den Augen! Nicht Mansah, Mama Adwe! Nicht Mansah!«
»Und wenn drauf bestehen? Wenn wollen? Ist nichts, was wir können machen, Máanu, gar nichts …«
Adweas Stimme klang erstickt. Und in Noras Kopf erklangen alle Alarmglocken. Das klang nicht so, als errege sich Máanu nur deshalb, weil ein Zimmermädchen im Verhältnis zu einer Köchin eine untergeordnete Position war. Es klang eher, als habe sie Angst um ihre Schwester. Und Adwea schien es nicht anders zu gehen. Also ging es hier um den Mann, der Sally missbraucht hatte. Einer der Hausdiener? Einer, der Zugriff auf die Mädchen hatte, wenn Adwea nicht aufpassen konnte? Aber einen Schwarzen hätten die Frauen doch verraten. Und weiße Männer … Nur zwei weiße Männer lebten in diesem Haus …
Aufgewühlt ging Nora zurück zu ihrem Buch, aber lesen konnte sie nicht mehr. Sollte sie Máanu gleich zu sich rufen? Das Mädchen musste jetzt reden, Nora würde ihr ihren Verdacht auf den Kopf zusagen. Aber jetzt musste sie sich erst mal beruhigen. Sie beschloss, am Abend mit Máanu zu sprechen. Bis dahin konnte sie auch darüber nachdenken, wie sie es Doug sagen sollte. Ob sie es Doug sagen konnte. Und was es dann zu tun gab.
Nora verbrachte den Tag in äußerster Anspannung und bekam beim Abendessen keinen Bissen herunter. Elias bemerkte das nicht, aber Doug sah sie besorgt an, bis sie sich schließlich mit Unpässlichkeit entschuldigte.
»Ich gehe einfach schon mal hinauf und lege mich hin«, sagte sie mit seltsam gequältem Lächeln. »Adwea soll mir Máanu schicken, damit sie mir hilft. Ich fühle mich nicht ganz wohl.«
Das war nicht einmal völlig gelogen. Nora hatte das Gefühl, ersticken zu müssen, wenn sie noch länger mit Elias an einem Tisch saß.
Als es dann jedoch kurz darauf an ihre Tür klopfte, stand da nicht Máanu, sondern Mansah und knickste brav.
»Mama Adwe sagt, ich soll Missis helfen. Máanu sich nicht fühlt wohl.«
Nora runzelte die Stirn. Sollte sie das jetzt glauben? Am späten Nachmittag war ihr Máanu noch ganz gesund erschienen. Aber andererseits konnte Máanu nicht wissen, dass sie heute ein weiteres Verhör plante. Vielleicht lag also irgendetwas anderes vor, das dem Mädchen wichtig genug schien, seinen Dienst zu schwänzen. Nora überlegte, ob sie trotz der kleinen Vertretung auf Máanus Erscheinen bestehen sollte. Aber dann hatte sie eine bessere Idee. Es war nicht wichtig, jetzt noch mit Máanu zu sprechen. In dieser Nacht konnte sie Mansah auf jeden Fall schützen.
»Schön, dann hilf mir mal, mein Haar zu lösen«, bat sie das Mädchen. »Und anschließend holst du mir ein Glas warme Milch aus der Küche und bringst deine Schlafmatte mit. Ich möchte, dass du heute Nacht hierbleibst, damit du dich um mich kümmern kannst, wenn irgendwas ist.«
Mansah nickte gehorsam und machte sich dann vergnügt an die Arbeit. Die Kleine fühlte sich offenbar wichtig als Vertretung ihrer großen Schwester und bemühte sich, möglichst professionell mit Noras Locken und ihrer Kleidung umzugehen. Nora hielt geduldig still, obwohl das Mädchen sie beim Kämmen ziepte, und wurde dafür durch Mansahs fröhliche Stimme entschädigt. Im Gegensatz zu der in der letzten Zeit stets mürrischen Máanu plauderte Mansah lebhaft und schaffte es damit fast, ihre Herrin aufzuheitern. Besonders am nächsten Morgen, als dann auch die Sonne ins Zimmer schien, vertrieb Mansahs gute Laune beinahe die Schatten der dunklen Ahnungen, die Nora seit dem Vortag quälten. Es konnte einfach nicht sein, dass irgendjemand nur darauf wartete, diesem hübschen, lebhaften Kind etwas anzutun! Kein normaler Mann wie Elias jedenfalls. Höchstens ein Monster, ein Ungeheuer, ein Irrer. Nora zerbrach sich den Kopf darüber, wo solch ein Mann lauern konnte. Sie musste unbedingt mit Máanu reden.
Die Zofe erschien allerdings auch nicht zu Noras morgendlicher »Sprechstunde« im Sklavenquartier, stattdessen kam wieder Mansah. Deren Begleitung war zwar vergnüglicher, aber langsam wurde Nora ungehalten. Als sie zurückkehrte, wandte sie sich an Adwea.
Die Köchin
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