Die Insel Der Tausend Quellen
kooperativ und tat alles, um Elias bei der Suche nach Máanu zu unterstützen. Er ließ sogar die Baarm Madda auspeitschen, zu der das Mädchen angeblich unterwegs gewesen war. Dabei wusste die Frau natürlich von nichts und blieb auch unter der Folter bei ihrer Aussage.
Elias versuchte es also auf der eigenen Pflanzung, aber seit Máanus Flucht war über eine Woche vergangen, und es hatte fast jeden Tag geregnet. Kein Hund würde ihrer Witterung jetzt noch folgen können.
»Und wenn sie in den Bergen ist, hat sie die Maroons sowieso längst erreicht«, zog Elias nach drei Tagen Suche verärgert Bilanz. Er hatte die Jagd eingestellt und saß wieder mit seiner Frau und seinem Sohn beim Dinner. »Das Miststück können wir abschreiben. Deine Schuld, Nora. Ich hoffe, du bist dir darüber bewusst.«
»Natürlich«, sagte Nora demütig und blickte nicht von ihrem Teller auf. Auf keinen Fall sollte Elias den Funken von Triumph in ihren Augen aufblitzen sehen. »Ich war nachlässig, es tut mir sehr leid. Aber immerhin brauchst du mir keine neue Zofe zu kaufen. Ich werde die kleine Mansah ausbilden.«
Elias schnaubte und schob wütend seinen Teller zurück. Er hatte die leichte Vorspeise nicht angerührt, roch aber bereits nach Rum. Wahrscheinlich hatte er den ärger über die misslungene Jagd schon mit Keensley heruntergespült.
»Mandy? Die Schwester? So weit kommt das noch, die gleiche Brut, die gleichen Allüren. Ich hätte Kitty damals mit auf die Felder schicken sollen, als …«
»Als du Akwasi auf die Felder geschickt hast?«, fragte Doug gefährlich ruhig.
Er hatte sich nur am ersten Tag an der Suche nach Máanu beteiligt, zumindest gab er vor, es zu tun. Die letzten beiden Tage hatte er weitgehend in Kingston verbracht.
Elias warf ihm einen bösen Blick zu. »Ja, als ich deinen Niggerfreund mit gutem Grund auf die Felder geschickt habe. Wenigstens der ist noch da, unter der Knute hält man sie am sichersten. Und jetzt möchte ich davon nichts mehr hören. Nora, ich werde mich um eine Zofe für dich in Kingston kümmern. Keine Widerrede, du wirst standesgemäß ausgestattet sein. Und künftig benimmst du dich wie eine Lady. Ein bisschen Krankenpflege ist ja schön und gut. Aber keine Besuche mehr bei schwarzen Hexen. Und wenn du im Sklavenquartier Hilfe brauchst, findet sich sicher ein Mädchen aus der Küche oder gleich vom Feld. Die Zofe bleibt im Haus. Nicht auszudenken, dass sie sich in einen Feldnigger verguckt, und wir haben den nächsten ärger.«
»Aber …«, Nora wollte noch widersprechen, Elias stand jedoch auf, ohne den Hauptgang abzuwarten. »Ich gehe rauf«, sagte er, immer noch wütend, in Noras und Dougs Richtung, und wandte sich anschließend an den Diener, der eben mit dem Essen eintrat. »Sag Addy, sie soll mir später noch einen Schlaftrunk hinaufbringen lassen.«
Nora verkrampfte die Hände um ihre Serviette. Sie musste ruhig bleiben. Was auch immer sie sagte, an diesem Abend würde Elias sich nicht mehr beruhigen. Am nächsten Tag war er allerdings meist besser gestimmt. Nora fragte sich müßig, was ihm Adwea wohl in den Rumpunsch mischte. Nach dem Schlaftrunk schien er meistens ausgeglichener und friedlicher.
Der Diener wirkte etwas betreten, fasste sich dann aber schnell und begann, Nora und Doug vorzulegen. Beide nahmen wenig. Nora war schon vorher nicht hungrig gewesen, und die bislang angespannte Atmosphäre bei Tisch hatte sie weiter belastet. Bedrückt griff sie nach ihrem Taschentuch und tupfte sich den Schweiß von der Stirn, bevor sie halbherzig ihren Löffel aufnahm und in ihrer Suppe rührte. Doug, der ihr gegenübersaß, lächelte sie über ihre Weingläser hinweg an.
»Das war es dann also mit der Sklavenjagd«, sagte er aufmunternd. »Sieht gut aus für Máanu. Ich hoffe, sie wird glücklich.«
»Ich auch«, meinte Nora erstickt. »Aber ich …«
Sie hatte sich bisher stets beherrscht, aber jetzt kämpfte sie mit den Tränen. Es war zu viel, Máanu, Elias’ erneute Standpauke – und das Wissen, Mansah nicht weiter schützen zu können, vor was auch immer. Bisher hatte Nora stets vermieden, allzu intensiv an ihre Zukunft in diesem Haus zu denken. Sie liebte die Insel, sie arrangierte sich mit ihrem Gatten – aber Letzteres wurde zusehends unerträglich. Sie konnte nicht weitere zehn oder zwanzig Jahre neben Elias herleben – und erst recht nicht neben Doug!
Nora konnte es nicht mehr leugnen, sie empfand mehr für ihren Stiefsohn, als sich auf die Dauer
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