Die Insel Der Tausend Quellen
musste es sogar noch schlimmer gewesen sein. Máanu war schließlich frei – und auf seine Frau konnte Elias zwar wütend sein, aber strafen konnte er sie nicht. Doug dagegen hatte mit ansehen müssen, wie man Akwasi einsperrte und schlug.
Doug legte Nora die Hand auf die Schulter. Weitere Berührungen wagten sie nicht, es würde hier bald vor Sklavenjägern wimmeln.
»Mach dir keine Sorgen, sie finden sie nicht«, sagte er beruhigend. »Jedenfalls nicht, wenn sie nicht irgendwas Verrücktes getan hat, wie bei einem Liebhaber von einer anderen Plantage unterschlüpfen oder so. Das ist meistens der Fall, wenn Frauen weglaufen. Aber bei Máanu glaube ich es nicht.«
Nora schüttelte den Kopf. »Ich auch nicht. Ak… Akwasi ist doch da, oder?«
Soweit sie wusste, war Akwasi der Einzige, den Máanu je verliebt angesehen hatte.
»Natürlich«, Doug nickte. »Wenn ein Feldnigger fehlt, fällt das gleich auf. Die haben keine Chance.«
»Aber Máanu hat eine?«, vergewisserte sich Nora. »Wo … wo glaubst du denn, dass sie hin ist?«
Doug lächelte. »Na, wo schon, Nora? In die Berge natürlich. Wenn alles gut gegangen ist, weilt sie längst bei den Maroons.«
»Und warum meinst du nun, soll ich dir helfen?«
Die Stimme der Frau klang kühl, aber immerhin hatte sie Máanu angewiesen, auf einem der gewebten Teppiche unterhalb ihres »Thrones« Platz zu nehmen, und sie angehört. Granny Nanny, die Queen, saß auf einem kunstvoll geschnitzten Hocker. Das Sitzmöbel stand auf zwei stabilen säulenähnlichen Beinen, in die Symbole eingearbeitet waren. Man hatte für die eher kleine Anführerin der Maroons eine Art Podest errichtet. Da hielt sie nun Hof – eine dünne, drahtige Person, deren westliche Kleidung einen sonderbaren Kontrast zu dem afrikanischen Kraal bot, den sie hier hatte bauen lassen. Sie war dunkel, sehr klein für eine Ashanti-Frau, ihr Gesicht wirkte stoisch. Lediglich die Augen machten sie zu einer auffallenden Erscheinung. Sie waren kohlschwarz, aber hinter ihnen schien ein Feuer zu lodern. Und sie wirkten so durchdringend, dass Máanu sich nackt fühlte unter dem Blick der Queen.
»Weil … Sie ist meine Schwester, Queen Nanny. Sie ist ein schönes, liebes Mädchen. Und er wird das Gleiche mit ihr anstellen wie mit den anderen. Wie mit … mir …«
Máanu sah zu Boden.
»Du hast es ja überlebt«, sagte Nanny knapp.
Sie sprach ein weitgehend korrektes Englisch, wenn auch mit fremdem Akzent. Máanu erinnerte sich, dass man die Afrikanerin als Mädchen nach Jamaika gebracht hatte. Sie hatte die Sprache also hier erlernt – aber sie hatte sich nicht auf das Pidgin der Sklaven beschränkt.
»Ich hab damals auch ein Kind verloren«, gab Máanu erstickt zurück, »und wäre dabei beinahe gestorben. Ich trage die Narben bis heute.«
»Die tragen wir alle«, meinte Nanny gelassen. »Deine Schwester ist nicht die Erste und wird nicht die Letzte sein, die ein weißer Mann sich nimmt.«
»Aber … aber nicht so!«, brach es aus Máanu heraus. »Nicht jetzt schon!«
Sie hatte das Gefühl, in Tränen ausbrechen zu müssen. Dabei erinnerte sie sich kaum noch daran, wann sie zum letzten Mal geweint hatte.
Nanny hob die Brauen. »So oder anders, heute oder morgen. Ich kann das nicht ändern, und du kannst es auch nicht. Finde dich damit ab. Oder sag mir einen besseren Grund, warum ich eine Plantage angreifen soll, die fast dreißig Meilen entfernt liegt.«
Die Queen griff gelangweilt nach einer der Früchte, die in einem Korb neben ihrem Thron für sie bereitlagen.
»Ihr greift doch dauernd Plantagen an!«, rief Máanu. »Und Cascarilla ist reich. Dein Wächter kannte sie. Sie ist …«
»Die Plantage kennt jeder«, sagte Nanny und begann ihre Frucht zu schälen. »Aber sie ist zu weit weg. Es ist zu riskant. Wir können keine fünfzig Krieger über so viele Meilen schicken und die Pflanzung plündern lassen. Die kämen wahrscheinlich nicht mal ungesehen hin, aber gut, das ließe sich einrichten. Doch zurück kämen sie nie und nimmer, wenn Cascarilla Gardens brennt! Man würde uns jagen wie die Hasen. Es geht nicht, Mädchen, tut mir leid.«
Máanu biss sich auf die Lippen. Dann beugte sie sich vor. »Du brauchst keine fünfzig Männer, Queen Nanny. Gib mir … gib mir nur fünf !«
Die Hunde der Keensleys nahmen natürlich keine Spur auf, egal wie oft man sie durch das Sklavenquartier der Keensleyund später auch der Hollister-Plantage führte. Christopher Keensley verhielt sich äußerst
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