Die Insel Der Tausend Quellen
ihr … wir werden heute nicht aufs Feld gehen. Und im Haus … im Haus ist ja auch nichts zu tun …«
»Wollen Sie es nicht wiederaufbauen, Backra?«, fragte Kwadwo verwundert. Er wusste nicht, was ihn dazu ermutigte, aber er gab es auf, mit seinem Backra Pidgin-Englisch zu sprechen. »Sollen wir nicht …?«
»Für wen soll ich es aufbauen, Kwadwo?« Doug rieb sich die Stirn. »Aber ihr könnt eines der Häuser reinigen, in denen die Aufseher gewohnt haben. Das reicht für mich. Adwea kann für mich kochen.«
»Dann Sie verkaufen alle Hausdiener, Backra?«, fragte Adwea bestürzt. »Mädchen, Pagen …?«
Doug seufzte. Er überlegte kurz, ob er das Wissen ansprechen sollte, über das all diese Hausdiener geschwiegen hatten. Am liebsten hätte er keinen von ihnen mehr um sich gehabt. Aber andererseits war ihnen keine andere Wahl geblieben. Nicht einmal Adwea …
»Natürlich nicht«, beruhigte er die Köchin. »Ich … ich verkaufe niemanden … macht euch keine Sorgen. Und ich schicke auch niemanden vom Haus aufs Feld …«
Diese bange Frage stand den Hausdienern in den Gesichtern geschrieben, niemand brauchte sie zu stellen.
»Wir werden sehen, was wir machen. Heute jedenfalls …«
»Was denn ist mit Reverend?«
Adwea wies auf den Wagen der Stevens, der eben ins Sklavenquartier rollte. Doug graute es vor der Begegnung mit dem Mann. Hoffentlich hatte er diesmal wenigstens Frau und Kinder zu Hause gelassen, Ruth war doch sicher noch in Trauer.
»Macht noch ein Aufseherhaus fertig«, bestimmte Doug. »Sofern dem Reverend das recht ist. Wahrscheinlich übernachtet er bei den Hollisters oder Keensleys. Aber wir werden … wir werden eine Trauerfeier vorbereiten müssen. Mama Adwe …«
Adwea nickte. »Ich schon machen, Backra!«, sagte sie tröstend. »Können wir machen in Sklavenküche. Machen wir Barbecue …«
Doug überkam schon bei dem Gedanken an glühende Kohlen und den Geruch von bratendem Fleisch Übelkeit, aber das würde er Adwea überlassen. Erschöpft wandte er sich dem Reverend zu, dessen lange, hagere Gestalt in seinem verschlissenen schwarzen Anzug eben vom Wagen stieg.
»Mr. Fortnam!« Der Reverend drückte Doug die Hand. »Worte vermögen nichts im Angesicht Ihres großen Schmerzes …«
Doug wappnete sich gegen seine Predigt.
KAPITEL 2
N ora schleppte sich erschöpft über die steilen Hügel der Blue Mountains. Eigentlich hatte sie immer geglaubt, recht gut zu Fuß zu sein, aber der Gewaltmarsch mit den Sklaven brachte sie an die Grenzen ihrer Kräfte. Dabei bewegte sich der Zug nach den Maßstäben der Schwarzen wohl noch langsam – die drei Männer, die zunächst auf der Plantage geblieben waren, um Cascarilla Gardens anzuzünden, hatten die Hauptgruppe innerhalb weniger Stunden eingeholt. Anschließend trieben sie die befreiten Sklaven gnadenlos an. Sie mussten Kingston noch im Laufe der Nacht hinter sich lassen und so viele Meilen wie möglich zwischen sich und die geplünderte Plantage legen. Die einzige Chance dazu bestand darin, schnell weit ins Inland zu wandern, ein noch unerschlossenes Gebiet, in dem es praktisch keine Wege gab. Der Anführer der Maroons ging denn auch voraus und schlug den Weg mit der Machete frei. Die Menschen stolperten über die Wurzeln und Schlingpflanzen hinter ihm her, wobei sie dem Himmel noch dafür danken konnten, dass dies eine Vollmondnacht war.
Nora sah trotzdem fast nichts, schließlich befand sich fast immer ein Blätterdach über ihnen, solange sie die höheren Bereiche der Berge noch nicht erreicht hatten. Obwohl Akwasi sie fest an der Hand hielt, so fest, dass es eher schmerzte als Schutz bot, fiel sie immer wieder hin. Außer ihr passierte das nur Máanu, Mansah und der einzigen weiteren Haussklavin, die sich ihnen angeschlossen hatte. Die Feldarbeiter bewegten sich unglaublich sicher und schienen auch die Dornen und Wurzeln nicht zu spüren, die Nora die Füße blutig rissen.
Für Nora war bald jeder Schritt mit rasenden Schmerzen verbunden, dabei war sie immer stolz auf die Hornhaut unter ihren Füßen gewesen. Schließlich lief sie oft genug barfuß über den Strand oder zur Badestelle im Wald. Aber das war anscheinend nichts gegen die Strapazen, denen die Feldsklaven jeden Tag ausgesetzt waren. Die jedenfalls lachten nur über die lauthals vorgebrachten Klagen der Haussklavin. Máanu, der es sicher nicht besser ging, sagte nichts. Sie schritt verbissen voran und zerrte dabei die weinende Mansah hinter sich her.
Nora machte sich
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