Die Insel Der Tausend Quellen
freien Schwarzen auch keine Plantagensklaven, sondern überfielen direkt die Häuser. Die Sklaven wurden des Überfalls meist erst gewahr, wenn das Herrenhaus brannte.
»Man kann’s schlecht ausmachen, Sir«, antwortete der Aufseher etwas verlegen. »Die … die Leichen sind völlig verbrannt. Und zum Teil … also zum Teil …«
»Nun lassen Sie den Jungen erst mal in Ruhe mit den Einzelheiten.« Christopher Keensley hatte Doug erspäht und schob seinen Aufseher beiseite. »Hier, Douglas, nehmen Sie einen Schluck …«
Keensley reichte ihm eine Taschenflasche. Doug wollte erst ablehnen, führte das Gefäß dann aber doch an die Lippen und schmeckte besten Zuckerrohrschnaps. Er fühlte sich daraufhin zwar nicht wirklich besser, aber ihm war nicht mehr so schwindlig.
»Sie wissen doch selbst, Junge«, setzte Keensley nun mit einer Erklärung an, »wie diese … diese … Tiere töten. Und diesmal waren ja auch noch Feldnigger dabei, wenn ich das richtig verstanden habe, die noch bösartiger vorgingen. Anscheinend haben sie Ihren Vater und Ihre Stiefmutter im Schlafzimmer überrascht. Und sie … Nun, sie hatten Macheten …«
Doug suchte Halt an der Flanke seines Pferdes. »Sie haben sie … in Stücke gehackt?«, fragte er tonlos.
Keensley nickte und reichte ihm erneut die Taschenflasche. »Und dann angezündet. Der einzige Trost ist, dass sie sicher nicht in den Flammen starben. Aber man kann die Leichen unmöglich identifizieren, es tut mir leid, Doug. Sie sollten sich das auch gar nicht ansehen, Sie …«
»Es ist sicher Nora?«, flüsterte Doug.
Keensley nickte wieder. »Nach allem, was anzunehmen ist. Wer sollte es sonst sein? Wir vermuteten allerdings auch Sie unter den Toten. Wie gesagt …«
»Ich will sie sehen!«, sagte Doug und gab Keensley die Taschenflasche zurück. »Ich … ich muss das selbst sehen, ich …«
Er ließ Amigos Zügel los und stolperte in Richtung des Hauses. Man hatte die Opfer des Überfalls davor auf Decken gelegt – eben schleppten zwei Sklaven die Leichen von Truman und McAllister heran.
»Sämtliche Aufseher sind auch tot, Sir!«, meldete Benson seinem Arbeitgeber. Keensley nickte unkonzentriert.
»Das sollten Sie nicht tun!«, sprach er weiter auf Doug ein. »Sie werden das nie mehr aus dem Kopf bekommen …«
Doug sah ihn an, sein Blick flackerte. »Es gibt vieles, was sich mir in dieser Nacht ins Gedächtnis brennen wird. Aber dies … Ich …«
Keensley folgte ihm kopfschüttelnd zum Aufbahrungsplatz.
»Lassen Sie den Reverend benachrichtigen«, sagte er müde zu Benson. »Wir … wir sollten … das hier … möglichst bald bestatten.«
Doug brach nicht zusammen, als er vor den verkohlten Leichen und Leichenteilen stand. Vielleicht hätte er die Fassung verloren, wenn er Nora wirklich erkannt hätte, aber dies … Der Anblick war grauenvoll, weckte jedoch keinerlei Erinnerungen an das, was diese Menschen einmal gewesen waren. Tatsächlich konnte man nicht einmal mehr erkennen, ob es Schwarze oder Weiße waren, Männer oder Frauen, Erwachsene oder Kinder. Doug fragte sich, ob Mansah darunter war oder ob die Maroons das Mädchen mitgenommen hatten. Aber gewöhnlich pflegten sie Hausdiener zu töten. Er wandte sich ab. Keensley hielt ihm sofort die Flasche entgegen.
»Kommen Sie jetzt … Hier können Sie nichts mehr tun, das Feuer ist gelöscht, die verbleibenden Sklaven haben wir unter die Aufsicht eines unserer Leute gestellt.«
»Aufsicht?«, fragte Doug fahrig. »Wozu Aufsicht? Wenn sie … wenn sie bis jetzt nicht weg sind … warum sollten sie jetzt noch fortlaufen?«
Keensley lachte böse. »Sie wissen doch wohl selbst, dass dem Pack nicht zu trauen ist.«
Doug rieb sich die Stirn. »Ich möchte zum Sklavenquartier«, sagte er dann. »Zu … unserem. Zu … meinem.«
Es war ein seltsames Gefühl, aber er musste sich vergegenwärtigen, dass er der Erbe seines Vaters war. Das, was von Cascarilla Gardens übrig war, eventuell noch lebendes Vieh und die verbleibenden Sklaven gehörten jetzt ihm.
»Das ist wieder keine gute Idee, Douglas. Sie sollten zunächst mit zu uns kommen. Hier können Sie morgen …«
Doug schüttelte den Kopf. »Ich muss heute noch mit ihnen sprechen. Mit … Wissen Sie, ob … ob Mama Adwe …?«
Er wandte sich ab, als Keensley ihm zu verstehen gab, dass er nichts wusste. Amigo stand noch da, wo er ihn verlassen hatte. Der Hengst wirkte nicht minder verwirrt und unsicher wie sein Herr. Doug klopfte ihm den Hals und erstieg
Weitere Kostenlose Bücher