Die Insel Der Tausend Quellen
ihm half, sich aufzusetzen, konnte sie sein Kissen aufschütteln – sofern man dieses harte, verklumpte Ding als Kissen bezeichnen konnte.
Simon suchte ihren Blick. »Es tut mir leid …«, flüsterte er.
Nora überlegte es sich anders und zog seinen Kopf an ihre Brust. »Dir braucht nichts leid zu tun, Liebster«, flüsterte sie. »Du kannst nichts dafür, dass du krank bist. Und jetzt … jetzt bin ich ja hier …«
Simon regte sich. Er musste wieder husten, als er versuchte, sich von ihr zu lösen. »Du kannst hier nicht bleiben, Nora! Du solltest gar nicht hier sein, du musst …«
In dem Moment öffnete sich die Tür, und ein mageres, dunkelhaariges junges Mädchen schob sich durch die Öffnung. Es trug einen Krug mit einem bitter riechenden Gebräu. Nora meinte, Heißbier zu erkennen, vielleicht hatte man auch Kräuter hineingegeben. Sie verzog den Mund, aber das Zeug dampfte, es mochte Simon also wenigstens ein bisschen wärmen.
Das Mädchen knickste unsicher vor der vornehmen Besucherin. »Das schickt die Mutter«, sagte es leise. »Der Deary-Junge hat dafür bezahlt. Und es wär auch noch Eintopf da, sagt die Mutter, aber das kostet noch einen Penny …« Das Mädchen hielt den Kopf gesenkt. Die Raffgier seiner Mutter schien ihm peinlich zu sein.
Nora wollte schon nach ihrer Börse greifen, aber dann überlegte sie es sich anders. Sie war eine Kaufmannstochter! Und auch wenn es nur um ein paar Penny ging, sie sollte dieser Mrs. Paddington nicht erlauben, sie schamlos über den Tisch zu ziehen.
»Sag deiner Mutter, ich wüsste sehr gut, dass Bobby auch für das Essen bezahlt hat!«, sagte sie, so fest wie sie eben konnte. »Wenn sie noch einen Penny will, dann soll sie dich mit zwei weiteren Decken hochschicken, aber warmen Decken, keine Lumpen wie die hier!« Sie wies auf das fadenscheinige Ding, mit dem sich Simon notdürftig wärmte. »Ach ja, und ein Kissen gehört natürlich auch dazu!«
Das Mädchen nickte, stellte den Krug auf den Tisch und verzog sich nach unten, um seiner Mutter zu bestellen, was die junge Dame ihm aufgetragen hatte. Beim Hinausgehen warf Joan Nora einen bewundernden Blick zu. Nora atmete auf, als sie die Tür hinter sich schloss.
»Joan ist ein gutes Kind«, sagte Simon leise, als wollte er Nora für ihre harten Worte rügen.
Nora zuckte die Achseln. »Und ihre Mutter ist ein Drachen!«, erklärte sie. »Aber damit werde ich schon fertig, ich …«
Simon lächelte schwach. »Der Prinz sollte den Drachen töten …«, erinnerte er sie sanft.
Nora verdrehte die Augen. »Morgen, Liebster, morgen schlägst du einem Lindwurm den Kopf ab. Aber erst mal musst du diesen Husten loswerden. Und das kannst du nicht, wenn du es nicht warm hast und trocken und wenn dieser Drachen dich verhungern lässt! Jetzt trink erst mal …«
Nora machte sich auf die Suche nach einer Tasse oder einem Glas und fand schließlich einen angeschlagenen irdenen Becher. Sie füllte etwas von dem Bier hinein und reichte es Simon, aber er zitterte immer noch zu stark, um den Becher zu halten. Nora half ihm, ihn an den Mund zu führen, und schloss auch seine Hände darum, um sie zu wärmen.
»Wir hätten vielleicht Rum bestellen sollen …«, murmelte sie.
Simon trank durstig und schien sich gleich etwas besser zu fühlen. »Du kannst nicht hierbleiben!«, wiederholte er.
Nora verzog den Mund wie ein unartiges kleines Mädchen. Dann lächelte sie. »Versuch mal, mich dran zu hindern«, sagte sie kampflustig.
Simon richtete sich mühsam auf. »Nora, du darfst nicht allein mit einem Mann in einer Wohnung sein. Das … das ruiniert deinen Ruf … das …« Er sank zurück auf sein Lager.
»Das ist mir egal«, sagte Nora kurz. »Im Gegenteil, es passt mir sogar bestens. Mein Vater ist verreist. Und wenn er zurückkommt, weiß die halbe Stadt, dass die kleine Nora Reed mit ihrem Liebsten durchgegangen ist. Dann kann er mich verstoßen oder eine Hochzeit ausrichten. Glaub mir, er wird Letzteres tun …«
Simon schüttelte den Kopf. »Du hast dich schon einmal getäuscht«, erinnerte er sie leise. »Nora, all das, was er mir gesagt hat … Er wird niemals zustimmen, nie … Und … und er hat ja Recht …« Nora wollte ihn erneut in den Arm nehmen, aber er drehte sich weg. Schon die leichte Anstrengung ließ ihn erneut husten. »Er hat völlig Recht, Nora, ich werde dir nie ein standesgemäßes Leben bieten können. Und jetzt … Nora, dies ist keine kleine Erkältung, dafür geht es schon zu lange. Dies
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