Die Insel Der Tausend Quellen
reden von Akwasi …«
Doug zuckte die Achseln. »Akwasi ist in den Bergen. Der wird sich nicht hertrauen. Wenn Máanu …«
»Wenn Máanu ihre Mutter sehen will, werden wir sie nicht hindern«, bestimmte Nora. »Wir werden … hm … sie einfach nicht zur Kenntnis nehmen. Denkst du, Doug, man kann das auch diesem Mr. Ian begreiflich machen? Was ist der? Aufseher? Aber die Sklaven erzählen ihm den Dorfklatsch?«
Nora war schon bei der herzlichen Begrüßung zwischen Doug und Kwadwo klar geworden, dass sie einige Zeit brauchen würde, um sich mit den veränderten Gegebenheiten auf Cascarilla Gardens vertraut zu machen. Für das neue Haus begeisterte sie sich jedoch sofort. In ihren Albträumen hatte immer noch der alte Steinklotz inmitten der Palmen und Mahagonibäume gestanden, vielleicht rauchgeschwärzt und voller böser Erinnerungen. Sie hatte sich fast davor gefürchtet, ihn wiederzusehen. Das bunt gestrichene, mit Balkonen und Türmchen, Schnitzereien und Stuck verzierte Haus, das Doug stattdessen errichtet hatte, ließ ihre Augen jedoch aufstrahlen.
»Wohnt hier der Prinz?«, fragte Dede ehrfürchtig. Sie hatte sich schon in Kingston und Spanish Town an den Herrenhäusern kaum sattsehen können, aber das neue Haupthaus der Plantage, verwunschen und verträumt im Schatten hoher Bäume, gefiel ihr noch besser.
Doug legte den Arm um sie. »Hier wird die Prinzessin wohnen!«, erklärte er.
»Und der King?«, wollte Jefe wissen. »Wo wohnt der King?«
»Einen King gibt’s hier nicht«, beschied ihn Nora und drückte ihn an sich. »Nur Prinzessin Deirdre und Prinz Jeffrey. Das bist du!«
Doug und Nora waren übereingekommen, auch dem kleinen Jungen einen englischen Namen zu geben und ihn umgehend taufen zu lassen. Der neue Reverend sollte da ja zugänglich sein. Der Gouverneur hatte Doug auch dringlich angeraten, dem Kind umgehend einen Freibrief auszustellen.
»Offiziell ist der Junge Ihr Sklave, Mr. Fortnam. Beide Eltern sind zwar entlaufen, aber wenn man sie einfängt, gehören sie nach wie vor Ihnen. Das Kind also auch … Und was Ihr Vorhaben angeht, es praktisch als Ihren Sohn großzuziehen … Das halte ich für sehr unklug, Mr. Fortnam. Sehr unklug!«
Doug hatte dazu nur die Achseln gezuckt. »Na, das ist doch mal eine Ansicht, Exzellenz«, sagte er gelassen, »die Sie mit Queen Nanny vollständig teilen.«
»Mein Papa wird King!«, erklärte Jefe nun selbstbewusst.
Nora wechselte einen Blick mit Doug. Sie konnten beide nur hoffen, dass der Junge Akwasi und die großen Ziele, die der offenbar seinem Sohn mitgeteilt hatte, möglichst bald vergaß.
Bis zum endgültigen Vertragsabschluss zwischen Krone und Maroons gingen noch einige Monate ins Land, eine Zeit, in der sich Nora langsam wieder an ihr Leben als weitgehend unbeschäftigte Pflanzerfrau gewöhnte. Natürlich nahm sie die medizinische Versorgung der Sklaven wieder auf und erneuerte ihre Freundschaft mit den Baarm Maddas der Umgebung, aber sonst verstand sie gar nicht mehr, wie sie Jahre allein mit Lesen, Briefe schreiben und Blumen bestimmen verbringen konnte. Schließlich machte sie sich an die Anlage eines Orchideengartens und wies jede von den verständnislosen Sklaven angebotene Hilfe zurück.
Viel Zeit und vor allem Energie verschlang allerdings auch die Gewöhnung der Kinder an ihr neues Leben auf Cascarilla Gardens, wobei Dede keine großen Schwierigkeiten machte. Das kleine Mädchen zeigte sich anpassungsfähig und brav wie gewohnt, sie glitt ganz selbstverständlich in die Prinzessinnenrolle und musste nur gelegentlich daran erinnert werden, dass sie nicht für jede Handreichung ein Hausmädchen rufen sollte.
»Du konntest dich schon mal allein anziehen!«, rügte Nora zum Beispiel, als gleich drei halbwüchsige Mädchen um ihre eitle Tochter herumwuselten, um ihr Haar zu kämmen und ihre Schuhe zu binden.
»Da hatte ich aber noch keine Schuhe!«, verteidigte sich Dede. »Und keine Haarschleife! Und kein Spitzenkleid!« Die Kleine sah in ihrem neuen Staat entzückend aus.
»Und wir machen gern, Missis!«, erklärten die Mädchen.
Dede hatte das gesamte Personal in kürzester Zeit um den Finger gewickelt. Nora lächelte und dachte daran, dass ihr Vater das einst auch von ihr behauptet hatte. Allerdings fragte sie sich, was er von seiner Enkelin halten würde. Nun, das würde sie ihn in absehbarer Zeit selbst fragen können. Thomas Reed war so glücklich über die Rettung seiner Tochter, dass er im nächsten Jahr einen Besuch
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