Die Insel Der Tausend Quellen
doch wenigstens einen Teil von ihnen erneut vereinen – und Nora und seine Kinder zurückholen, nachdem er Doug gegeben hatte, was er verdiente. Aber vielleicht ließ sich die Angelegenheit Doug Fortnam ja auch mit einem Schlag lösen. Wenn er ein gutes Schussfeld fand und die Pistole mehrmals laden konnte, war alles möglich.
Vorerst brauchte er jedoch Geduld. Akwasi biss die Zähne zusammen. Und überließ Nora der Zwiesprache mit ihren Geistern.
KAPITEL 11
I m Herbst des Jahres 1739 wurde schließlich der Tag für die feierliche Vertragsunterzeichnung festgesetzt, und der Gouverneur bot Cudjoe, Accompong, Nanny und Quao freies Geleit in die Stadt Spanish Town. Das war natürlich mit Schwierigkeiten verbunden, nicht jeder Weiße in Kingston unterstützte den Friedensschluss.
»Wir hätten sie besser ausräuchern sollen!«, lärmte Christopher Keensley, der natürlich wie alle anderen Pflanzer der Gegend zum Fest erschienen war.
Die bessere Gesellschaft belegte die vordersten Plätze auf dem quadratischen Platz vor dem Haus des Gouverneurs. Trelawny hatte vor, die Maroon-Führer hier im Zentrum der Stadt zu empfangen und dann nach der Zeremonie ein paar Worte zu seinen Bürgern zu sprechen. Schon jetzt waren der Platz und der Weg, der für die Maroon-Führer frei gehalten wurde, von Menschen gesäumt. Jeder, vom Pflanzer bis zum Sklaven, wollte einen Blick auf die legendäre Granny Nanny werfen. Unter den Sklaven kamen allerdings nur wenige in den Genuss dieses Privilegs. Niemand war auf die Idee gekommen, seinen Feldsklaven dafür freizugeben, und so befanden sich nur einige Hausdiener und Zofen im Gefolge ihrer Herrschaft auf dem Platz. Dazu ein paar freie Schwarze, aber die verbannte man natürlich in die letzten Reihen.
»Meine Rede!«, antwortete Hollister seinem Freund und suchte stöhnend nach einer besseren Sitzposition.
Er hatte seine Verletzungen überlebt, aber er konnte nach wie vor nur mühsam und breitbeinig gehen und sitzen. An Reiten war nicht mehr zu denken, und auch das Rütteln einer Kutsche bereitete ihm Schmerzen. Wenn er von Kingston zu seiner Plantage und zurück reiste, bediente er sich deshalb neuerdings einer Sänfte, getragen von vier seiner Sklaven.
»Wie ein römischer Kaiser«, bemerkte Nora zu Doug, als sie das zum ersten Mal sah. »Ich weiß, das ist nicht komisch, der arme Mann. Aber der Vergleich mit Nero drängt sich einfach auf.«
Zu den Festlichkeiten in Spanish Town hatte man Hollister einen Sessel gleich hinter die Absperrung tragen lassen, wo er nun thronte und das Schauspiel erwartete. Wie die meisten anderen Pflanzer vertrieb er sich dabei die Zeit mit Überlegungen dazu, was der Gouverneur im Umgang mit den Maroons hätte anders machen sollen. Wobei die Vorschläge immer drastischer wurden, je öfter die Taschenflaschen mit Rum kreisten.
Neben Hollister stand seine Frau. Sie war seit seiner Verletzung praktisch nicht mehr von seiner Seite gewichen, wofür man ihr in der Kolonie größte Hochachtung zollte. Die Lady warf gelegentlich unfreundliche Blicke in Richtung von Nora Fortnam, die sich nicht an der Unterhaltung beteiligte. Die junge Frau stand etwas abseits, elegant gekleidet und nach neuester Mode frisiert. Ihr weißes, mit Blütenranken bedrucktes Sommerkleid betonte ihre schlanke Figur – sie konnte gut auf das Korsett verzichten, das gerade aus der Mode gekommen war. Nora hatte ihr Haar gepudert, das Gesicht aber nicht – es war hoffnungslos, ihre tief gebräunte Haut mit Talkumpuder bleichen zu wollen, das ergab nur ein kränkliches Grau. Um die Bräune wirklich abdecken zu wollen, hätte sie Bleiweiß in dicker Schicht auftragen müssen – und das überließ sie nun wirklich den Stutzern aus dem Gefolge des Gouverneurs, die in ihrem schönsten Staat, Brokatjacketts, Kniehosen und reinweißen Strümpfen, vor dem Eingang zum Palast Aufstellung genommen hatten. Der Gouverneur würde gleich zwischen ihnen hindurchschreiten, desgleichen die Maroon-Führer.
Nora hielt ihre Kinder an der Hand – Dede in ihrem hinreißenden weißen Spitzenkleidchen, das die Schokoladencremefarbe ihrer Haut betonte, Jefe in kleinen Kniehosen und wattiertem Wams. Er quengelte die ganze Zeit, weil er darin schwitzte, und er hatte natürlich Recht. Alle Männer waren zu dick angezogen, auch Ian McCloud, der mit seiner Frau Priscilla bei Nora stand und natürlich Sonntagskleidung trug. Er litt klaglos unter der schwülen Hitze dieses Tages in der Regenzeit, und geduldig, wie
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