Die Insel Der Tausend Quellen
schließlich für ein paar bunte Bänder und fädelte bei der Gelegenheit auch ein neues hellrosafarbenes Seidensatinband durch die Öse ihrer Gemme. Die Zeit für schwarze Samtbänder, so entschied sie spontan, war vorbei! Nora brauchte nur noch die Hausinspektion hinter sich zu bringen, um dann, nur begleitet von Simons Geist, durch ihren tropischen Garten zu wandern. Elias würde sie dabei nicht stören. Der befand sich, wie Máanu mürrisch Auskunft gab, irgendwo auf der Plantage. Nora fiel auf, dass sich das Gesicht ihrer neuen Zofe sofort verzog, wenn von Elias, dem Backra, die Rede war. Anscheinend hegte das Mädchen Ressentiments gegen ihn und hatte den Dienst bei Nora deshalb so zögernd angetreten.
Tatsächlich erweiterten sich die Salons und Empfangsräume am Südende des Hauses zu zwei hölzernen Terrassen, die, wie Nora schon vermutet hatte, eine Art Brücke über den Küchengarten bildeten. Adwea wollte sie Nora nur kurz zeigen, sie erwartete offensichtlich nicht, dass die neue Missis einen Ausflug in den Park plante. Nora war jedoch entschlossen, die Führung durch ihr original englisches Herrenhaus hier zu beenden.
»Ich werde ein bisschen hinausgehen, Adwea. Du brauchst nicht mitzukommen, vielen Dank, ich finde mich schon zurecht. Aber ich brauche jetzt ein wenig frische Luft – sonst kann ich … sonst glaube ich doch noch, ich träume …«
Sie lächelte der Sklavin zu, die nicht recht verstand, was ihre neue Herrin damit wohl meinte. Aber Adwea fragte nicht nach. Sie hatte bei weißen Herrschaften schon seltsamere Dinge erlebt als den Wunsch, bei glühender Nachmittagshitze im Garten zu lustwandeln. Nicht ohne Nora noch einmal freundlich einzuladen, sich möglichst bald auch die Sklavenquartiere anzusehen, verzog sie sich in ihre Küche.
Nora dagegen betrat die Wunderwelt ihres tropischen Gartens. Sie atmete die Luft, erfüllt von Feuchtigkeit, aber auch geschwängert mit Blütendüften. Sie blickte auf eine Vielfalt von Büschen und Bäumen, entdeckte rote, weiße, lavendelfarbene Blüten und Blätter.
Und hier, im Terrassen-und Gartenbereich, hatte der Architekt von Cascarilla Gardens auch endlich zum karibischen Stil gefunden. Es gab mit Schnitzereien verzierte und bunt bemalte Balkone und Nischen, ein Gartenhäuschen in Form einer Pagode – Nora wusste jetzt schon, dass dies ihr Lieblingsplatz werden würde. Im Park selbst gab es dann Palmen satt, dazu Büsche mit goldgelben Blüten und andere, eher unscheinbare, die herzförmige Blätter aufwiesen. Nora hob eines davon an und sah, dass seine Unterseite silbrig schimmerte – Cascarilla, die Pflanze, nach der die Plantage benannt war. Laut Elias hatte sie hier überall gewuchert, bevor er das Land für die Zuckerrohrpflanzungen roden ließ. Zwischen den Büschen und Bäumen lagen Rasenrabatten, wenn man sie so nennen konnte. Tatsächlich wirkten die Grashalme hier fremd, vergleichbar dem englischen Rasen, aber irgendwie fleischiger und voller. Nora konnte sich an dem vielen Grün kaum sattsehen. Es gab auch Brunnen und Wasserspiele im Stil europäischer Parks. Elias behielt Recht, an Wassermangel litt man nicht auf Jamaika. Wahrscheinlich speiste der kleine Bach, der auch die Küche mit Wasser versorgte, klarem, sauberem Wasser, kein Vergleich mit der Brühe der Themse, die Springbrunnen. Mit klopfendem Herzen beugte sich Nora über einen der Brunnen und trank. Es schmeckte frisch, fast süß. Nora konnte sich kaum bezähmen, ihren Anhänger damit zu benetzen.
Leider gab es keinen Hinterausgang, der vom Garten aus in den Wald führte. Wenn man zum Strand wollte, musste man wohl außen um das Haus herum reiten. Nora fragte sich, wo überhaupt die Ställe lagen. Aber als Erstes würde sie sich jetzt die Unterkünfte der Sklaven ansehen. Adwea schien stolz auf ihr Häuschen zu sein und es ihr unbedingt zeigen zu wollen.
Die Köchin war nun allerdings beschäftigt – es war bald Zeit für das Abendessen. Nora sah, dass es Fisch geben würde, wahrscheinlich frisch aus dem Meer, und das Wasser lief ihr schon im Munde zusammen. Die kleine Mansah führte sie schließlich zu den Sklavenquartieren.
»Hier, Missis! Gut, Missis?«
Auch Mansah schien Noras Interesse an ihrer Wohnung für eine Art Inspektion im Hinblick auf Ordnung und Sauberkeit zu halten. Was dies anging, so war in Adweas Hütte nun wirklich nichts zu bemängeln. Nora erschien das Haus allerdings winzig klein für eine Familie. Es bot gerade Platz für zwei Schlafmatten, einen
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