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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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machte Peppers wirklich Konkurrenz, und der war schon penibel gewesen, was Fellpflege und Sattelzeug anging. Der Mann hielt ihr geschickt den Steigbügel, nachdem er Aurora neben eine Aufstiegshilfe gebracht hatte. Elias erkletterte einen schwarzen Wallach.
    »Gut, dann zuerst durch die Felder«, bestimmte er. »Wir bearbeiten hier dreihundertfünfzig Hektar, wobei nicht alles erwachsene Pflanzen sind, zum Teil setzen wir noch Schösslinge, zum Teil sind es Jungpflanzen – wir haben letztes Jahr erweitert. Insofern erwirtschaften wir bislang auch erst etwa siebenhundert Pfund Zucker im Jahr – das wird auf Dauer mehr, eine Zuckerrohrpflanze wächst um die zwanzig Jahre lang immer wieder nach! Wir haben zweihundertfünfzig Feldnigger, rund zwanzig weitere für Ställe, Haus und Garten. Fünfzehn Pferde – wie gesagt, sie sind schwer zu kriegen, fünfzig Maultiere, siebzig Ochsen …«
    »Und eine Windmühle!«, lächelte Nora. Sie genoss den Ausritt über die Felder, obwohl es wieder schwül war und kein Lüftchen ging. »Was macht ihr denn damit?«
    Sie wies auf einen Steinbau, dessen Flügel mit Segeln bespannt waren. Die Mühle stand auf einem Hügel. Wahrscheinlich war sie vom Haus aus einzusehen, wenn man durch eines der Fenster sah, die nach vorn hinaus gingen.
    »Die betreibt die Pressmaschine. Wenn gerade Wind ist. Sonst …«
    Die Reiter hatten die Mühle jetzt erreicht, und Nora erkannte, wie der Antrieb funktionierte, wenn es nicht genügend Wind gab: Ein junger Schwarzer trieb ein Ochsengespann um einen Korral und hielt damit die Mühlsteine in Bewegung. Der Mann und die Tiere waren gleichermaßen schweißüberströmt.
    »Hier, schau«, sagte Elias, ohne den Sklaven zu beachten. »Zuckerrohrsaft.«
    Tatsächlich floss ein Rinnsal goldbrauner Flüssigkeit aus der Mühle in einen Bottich – weitere Bottiche wurden von Sklaven in ein Haus nebenan transportiert.
    »Der wird jetzt eingekocht und dann in flache Pfannen gefüllt. Wenn er trocknet, kristallisiert er – das nennt man dann Muskovade. Man kann sie gleich nach England verschiffen zur Raffination, das gibt weiße Zuckerkristalle. Und aus dem Zuckerrohrsirup – das ist so eine Art Nebenprodukt – destillieren wir Rum.«
    Nora lauschte mit halbem Ohr, sie interessierte sich eher für die Menschen, die hier schufteten. Bisher hatte sie die Zahl der Feldsklaven kaum registriert, aber jetzt sah sie Maultiergespanne und Arbeiter, die Zuckerrohr anlieferten. Insgesamt zweihundertsiebzig Sklaven – das war mehr als die Bevölkerung von Greenborough … ein regelrechtes Dorf. Wer kümmerte sich um diese Leute? Gab es Schulen? Einen Arzt?
    Nora beschloss, besser nicht zu fragen. Sie hatte nicht vor, die bislang so gute Stimmung zwischen ihr und ihrem Mann zu belasten. Elias zeigte ihr denn auch weitere Farmgebäude, Schuppen und Ställe für Maultiere und Ochsen, und schließlich wies er ihr tatsächlich den Weg zum Strand.
    »Kannst du gar nicht verfehlen«, meinte er, während er sein eigenes Pferd wieder Richtung Pflanzung lenkte. »Aber nimm dir einen Knecht mit – die Gegend hier ist eigentlich sicher, aber andererseits weiß man nie, was den Gaunern in den Blue Montains einfällt. Und womöglich sind die Piraten ja auch noch nicht ganz ausgestorben.«
    Elias’ Lachen bei dieser Bemerkung bewog Nora, seine Anweisung nicht ganz ernst zu nehmen. Gut, auf Dauer würde sie um Begleitung beim Reiten nicht herumkommen, auch ihr Vater hatte sie ungern allein in den ebenfalls sehr sicheren St. James’ Park geschickt. Aber an diesem Tag würde sie ihre Insel noch einmal ungestört erforschen.
    Nora ließ Aurora schwungvoll antraben, und die schwarze Stute schwebte über den breiten Weg, den jemand durch den Wald geschlagen hatte. Nora sah die Spuren von Holzfällerei – Elias machte wohl gelegentlich ein paar Mahagonigewächse zu Geld. Der Dschungel war folglich nicht mehr allzu dicht. Aber dann, als der Weg sich urplötzlich zum Strand hin öffnete, vergaß sie die Bäume. Vor ihr lag leuchtend weißer Sand und dahinter das an diesem Tag azurblaue Meer. Der Anblick war für Nora atemberaubend – während er Aurora eher Angst zu machen schien. Die Stute scheute und mochte nicht aus der Kühle des Waldes in die grelle Sonne hinaustreten. Nora versuchte zunächst, sie anzuspornen, ließ ihr dann aber ihren Willen und stieg ab.
    Nora band das Pferd an einen Baum, während sie selbst wie in Trance in die Fantasie eintauchte, die sie mit Simon geteilt hatte.

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