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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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um Toby gekümmert hatte. Aber tatsächlich war es seine Machete gewesen, in die Toby getreten war, als er sie achtlos und wieder mal wütend ins Feld geschleudert hatte. Und nun fühlte er sich schuldig an dessen Unglück. Aber dann hatte Toby die Nerven verloren und Akwasi verraten, als der Aufseher in seine Hütte kam – statt ihm wie geheißen noch einmal die Wunde zu zeigen, um vielleicht doch an sein Herz oder wenigstens seinen Verstand zu rühren. Selbst der dümmste Kerl musste wissen, dass Toby das Bein oder gar sein Leben verlieren würde, wenn erst Wundbrand einsetzte. Aber dann siebzig Peitschenhiebe …
    Akwasi hatte bereits mehrmals zehn, einmal fünfzehn und einmal zwanzig erhalten, er wusste, dass kaum jemand vierzig überlebte. Als Truman zu prügeln begann, hatte er mit dem Leben abgeschlossen. Und es war auch so, wie er erwartet hatte: Erst der wahnsinnige Schmerz, der sich noch steigerte, wenn die Peitsche in offene Wunden hineinschnitt, dann eine Art Gleichgültigkeit und schließlich gnädige Ohnmacht, aus der er hoffte, nicht mehr zu erwachen, um langsam am Wundbrand zu sterben.
    Aber dann war etwas dazwischengekommen – als Akwasis Geist sich eben anschickte, seinen gemarterten Körper zu verlassen, war eine Art Engel erschienen. Akwasi erinnerte sich nur noch undeutlich, aber da war eine helle Gestalt, ein Lichtwesen … und als er nun die Augen öffnete, war es wieder da.
    Der junge Mann starrte fassungslos in Noras weißes Gesicht, das von einem Blütenkranz umrahmt und von goldbraun schimmerndem Haar umspielt wurde. Ihre weichen Züge, die Wärme in den seltsam grünen Augen … Akwasi hatte vorher nie einen Menschen mit einer solchen Augenfarbe gesehen. Halb wach, wie er war, hielt er eine himmlische Erscheinung für möglich. Er versuchte zu lächeln.
    »Hier, trink!«
    Eine freundliche, aufmunternde Stimme wandte sich an ihn. Akwasi nahm einen Schluck aus der Flasche, die ihm das Wesen an die Lippen hielt. Er schmeckte eine scharfe Flüssigkeit, was seine Lebensgeister vollends weckte. Und er konnte die Augen nicht von der Frau wenden, die ihn stützte. Kein Engel natürlich und kein Geist – eine Weiße! Die Missis, das Weib des verhassten Herrn der Plantage. Und trotzdem eine Frau, die seine Seele tanzen ließ. Das schönste Geschöpf, das er je gesehen hatte! Ein Mädchen, von dem er nicht einmal hätte träumen mögen.
    Akwasi schämte sich seines Gefühls in dem Augenblick, da es in ihm aufkeimte, aber er konnte nicht anders, als Nora anzustarren. Sie reagierte darauf mit freundlichem, aber distanziertem Lächeln.
    »Nun schau mich nicht so an, als hätte ich dich von den Toten erweckt. Wenn du jemandem dein Leben verdankst, dann eher Máanu. Komm, Máanu, hilf mir, ihn etwas aufzurichten, und dann …«
    Akwasi stemmte sich hoch. »Kann allein …«
    Er tastete nach der Flasche, aber Nora hielt ihm einen Krug mit Wasser entgegen.
    »Still erst deinen Durst, Junge, aber mach dir keine Sorgen. Ich lasse dir den Schnaps hier, er mag die Schmerzen lindern. Und jetzt müssen wir …«
    Sie machte Anstalten, Salbe auf seinen Rücken zu streichen, aber Akwasi wehrte sowohl Nora als auch Máanu ab.
    »Lasst mich in Ruhe … Ich kann allein …«
    »Aber wie willst du dir denn allein den Rücken einreiben?«, lamentierte Máanu, während Nora sich bereitwillig zurückzog.
    Männlicher Stolz, wieder etwas, in dem sich Schwarze offensichtlich in keiner Weise von Weißen unterschieden. Nora erinnerte sich daran, wie schwer es Simon bis zuletzt gefallen war, ihre Hilfe anzunehmen. Akwasi musste es mit Máanu ähnlich gehen – und er lag keineswegs im Sterben. Der junge Sklave war stark wie ein Bär, er überwand die Ohnmacht schnell und ertrug die Schmerzen ohne Klagen. Nora dachte daran, dass er erst beim fünfundzwanzigsten Schlag geschrien hatte. Akwasi war stark und stolz, und er hatte allen Grund dazu.
    »Lass uns einfach gehen, Máanu«, sagte sie freundlich. »Und du bleibst noch etwas liegen, Akwasi. Sicher wird Adwea später noch einmal nach dir sehen …« Von der älteren Frau würde der junge Mann sich eher helfen lassen. »Du solltest die Wunden allerdings abdecken. Die Fliegen …«
    Nora sah sich in der kargen Hütte nach einem Hemd oder einem Verband um, aber Máanu hatte schon daran gedacht. Sie senkte scheinbar beschämt ihren Blick, als Nora die Leinenstreifen sah und sie erkannte. Das Mädchen hatte kurzerhand den Rock, den Nora ihr geschenkt hatte, zerschnitten oder

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