Die Insel Der Tausend Quellen
Schwere deiner Wunde in Kenntnis zu setzen und vertrauensvoll um Behandlung und ein paar Tage im Krankenstand zu bitten.«
Toby schien etwas sagen zu wollen, aber ein Blick von Máanu gebot ihm Schweigen. Die Hausdienerin wusste besser als der Feldarbeiter um die Zwänge, denen auch Nora unterworfen war.
Wenn sie den Aufseher hier völlig das Gesicht verlieren ließ, würde der Backra sie tadeln und sich womöglich ganz auf Trumans Seite stellen. Dann war es nicht ausgeschlossen, dass die Bestrafung weitergeführt wurde.
Truman nickte mit anklagendem Blick auf Toby. »Das ist richtig, Madam!«, sagte er. »Der Mann …«
»Der Mann hat sich damit in gewisser Weise selbst bestraft, sicher leidet er große Schmerzen. Weitere Sanktionen halte ich nicht für nötig, aber das müssen Sie natürlich mit meinem Mann abklären.« Nora seufzte. Sie konnte Toby nur heute schützen – und dann hoffen, dass Elias vernünftig war. »Du …«, sie warf einen Blick auf den anderen, offensichtlich kranken Mann in der Menge, »… du hilfst Toby jetzt in die Küche vom großen Haus. Er soll sich dort niedersetzen und den Fuß in warmer Seifenlauge baden. Ich komme gleich und kümmere mich darum. Und ihr …« Nora wies auf zwei Jungen am Rand des Platzes. Um Akwasi zu helfen, brauchte man kräftige Männer. Der junge Mann hing jetzt bewegungslos in seinen Fesseln, anscheinend hatte er das Bewusstsein verloren. »… ihr bringt Akwasi in seine Hütte. Er kann heute nicht mehr arbeiten. Auch dieser Ausfall hätte sich mit einer milderen Strafe vermeiden lassen!« Ein weiterer Tadel für Truman – Nora hoffte, er würde den Mann weiter einschüchtern. Elias war zweifellos für harte Bestrafung seiner Sklaven, aber er wünschte auch, sie möglichst vollzählig auf dem Feld zu sehen. »Die anderen begeben sich wieder zur Arbeit. Mr. Truman …«
Nora beaufsichtigte noch, wie die Männer Akwasi losschnitten und in Richtung seiner Hütte zerrten. Hoffentlich war die sauber und es fand sich jemand, der den Mann verband. Schon jetzt setzten sich Fliegen auf die Wunde. Aber darum würde sie sich ebenfalls später kümmern … Nora trat hocherhobenen Hauptes ab und wanderte gemessenen Schrittes zurück zum Haus, obwohl sie lieber gelaufen wäre. Sie brannte vor innerer Erregung, aber sie konnte sich an ihrem »Sieg« nicht erfreuen.
Da machen sie es doch immer …, hatte Máanu über den Versammlungsplatz vor der Küche gesagt. Also waren Auspeitschungen der Feldsklaven an der Tagesordnung. Nora war dies zutiefst zuwider. Sie würde sich mehr einmischen müssen, wenn sie weiter auf der Plantage leben wollte.
Nora Fortnam-Reed war nicht mehr das ängstliche Mädchen, das in London hilflos am Sterbebett seines Liebsten gesessen hatte. Zwei Jahre Wohltätigkeitsarbeit im Eastend hatten sie auf fast alles vorbereitet, was in der Krankenpflege anfiel. Es hatte zu ihren ersten Aktivitäten gehört, den offensichtlich engagierten Dr. Mason für ihre Armenhilfe einzuspannen. Dabei ging sie ihm oft selbst zur Hand, wenn er in einem Nebenraum ihrer Armenküche die Kranken und Verletzten versorgte, eine Arbeit, vor der sich die anderen Damen gern drückten. Nora dagegen ekelte sich nicht so leicht, und so reinigte sie jetzt auch beherzt den vereiterten Fuß des Sklaven Toby und kratzte die Fliegenmaden mit einem stumpfen Messer aus dem Fleisch. Schließlich erinnerte sie sich an eine der Grundüberzeugungen Masons, dass Gin, in Maßen genossen, so ziemlich gegen alles half. In London hatte es nie genug sauberes Wasser zur Reinigung von Wunden gegeben, und so hatte Mason auch hier gern zu dem Fusel gegriffen. Nach Noras Beobachtung förderte das die Heilung eher, als sie zu behindern. Also spülte sie nun Tobys Fuß freigebig mit klarem Zuckerrohrschnaps aus den Beständen ihres Gatten, bevor sie Adweas Heilsalbe aufstrich und das Bein bandagierte.
»Das machen wir jetzt jeden Tag, bis die Wunde geheilt ist«, beschied sie den Sklaven. »Mit Gottes Hilfe wirst du den Fuß nicht verlieren. Aber setz ihn jetzt nicht mehr auf, sondern lass dir in deine Hütte helfen und leg das Bein hoch. Du brauchst unbedingt Ruhe. Adwea wird dir dein Essen bringen. Ach ja, und … Hardy?« Sie warf dem älteren Mann einen fragenden Blick zu. Er nickte. »Hardy wird sich um dich kümmern, solange ist er freigestellt. Wenn in der Zeit auch sein Husten ausheilt, umso besser.«
Nora sandte die Männer fort und ging ins Haus, um sich zu waschen. Sie brauchte eine
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