Die Insel Der Tausend Quellen
zerrissen, um Akwasi einen sauberen Verband anlegen zu können.
»Missis nicht böse«, raunte sie verschämt.
Nora schüttelte den Kopf. Sie verspürte eher eine Art Rührung. Máanu musste den jungen Mann wirklich lieben. Sie hoffte aus ganzem Herzen, dass Akwasi ihre Gefühle erwiderte.
Akwasi allerdings vergaß Máanu, kaum dass die Frauen seine Hütte verlassen hatten. Er nahm ein paar Schlucke Zuckerrohrschnaps. Aber was ihn seine Schmerzen schließlich wirklich vergessen ließ, war der Gedanke an Nora Fortnam und der Traum, sie in die Arme zu schließen.
KAPITEL 10
S o ganz unrecht hat Truman nicht, natürlich kommt es vor, dass sich die Kerle verstümmeln!«
Nora hatte Glück gehabt. Sie traf Elias beim Dinner, bevor der Aufseher ihm seine Sicht des nachmittäglichen Vorfalls schildern konnte, und er hörte sich ihren Bericht in Ruhe an, ohne sie zu unterbrechen und in Rage zu geraten. Aber dann tadelte er sie doch, wenn auch milde für seine Begriffe.
»Die Mistkerle denken doch an nichts anderes, als sich vor der Arbeit zu drücken. Du machst dir da noch keinen Begriff, Nora, du weißt nicht, was sie alles anstellen, um uns um ihre Arbeitskraft zu betrügen! Die älteren rammen sich die Macheten in die Beine, die Jüngeren denken nur an Flucht – und ihre Weiber muss man anketten, wenn man sie mal trächtig hat. Die lassen ihre Brut eher aus sich rauskratzen, als uns neue Arbeiter zu gebären. Dabei wär’s viel leichter, sie zu züchten, als immer wieder neue zu zähmen.« Elias hatte sein Mahl beendet und bediente sich aus der Rumflasche. »Truman hat’s mit dem Strafmaß vielleicht ein bisschen übertrieben, aber im Grunde weiß er, was er tut. Schau einfach nicht hin, wenn er die Kerle prügelt, es trifft nicht die Falschen, glaub’s mir!«
»Aber Toby ist seit Jahren hier und hat dir immer treu gedient!«, argumentierte Nora, fest entschlossen, beim Thema Toby zu bleiben, obwohl ihr bei Elias’ Ausbruch das Blut in den Adern gefror. Männer, die sich auf dem Schiff zu Tode hungerten, andere, die sich verstümmelten oder furchtbare Strafen riskierten, um zu fliehen. Frauen, die ihre Kinder lieber in sich abtöteten, als sie in ein Leben als Sklaven zu gebären … Aber Elias sprach von alldem, als ginge es hier nur darum, ihm böswillig eine Leistung vorzuenthalten, die ihm nach Recht und Gesetz zustand! Nora musste sich eisern beherrschen, ruhig zu bleiben. Sie hatte Elias Fortnam niemals geliebt, aber ihm bisher doch einen gewissen Respekt entgegengebracht. Jetzt empfand sie nur noch Abscheu.
»Er sagt, er sei in ein Messer getreten, und so sieht die Wunde auch aus. Es war ein Unfall, Elias. Niemand konnte etwas dafür.«
Elias schnaubte. »Und wer hat die Machete achtlos liegen gelassen? Warum passt Toby nicht auf, wohin er tritt? Schon das verdient Strafe!«
Nora zwang sich, ruhig zu atmen. »Das verdient vielleicht Strafe, aber doch keine so harte. Und es ist auch kein Grund, den Mann mit so einer Wunde weiter auf die Felder zu schicken. Ich habe mich erkundigt, Elias, wie viel so ein Sklave wert ist.« Sie hoffte, dass er jetzt nicht fragte, bei wem. Tatsächlich hatte sie sich mit der Frage an Máanu gewandt – und war umfassend über die Preise für Haus-und Feldsklaven informiert worden. Die Schwarzen waren keineswegs zu dumm, um zu wissen, was die Weißen für sie zahlten. »Ein Mann wie Toby kostet so viel wie ein gutes Maultier. Und das würdest du doch auch nicht mit lahmem Bein aufs Feld schicken – selbst wenn es sich die Wunde bei dem Versuch geholt hätte, über den Koppelzaun zu springen.«
Elias lachte. »So gefällst du mir!«, lobte er Nora und machte Anstalten, über ihr Haar zu streicheln. Er musste in der Stadt schon einiges getrunken haben, das bisschen Wein zum Essen und jetzt das eine Glas Rum hätten ihn kaum so zudringlich werden lassen – und so gesprächig. Meist hielt er sich Nora gegenüber mit Schmähungen gegen die Schwarzen zurück. »Die Tochter eines Kaufmanns. Aber was schlägst du vor, Süße? Ich weiß, ich weiß, ein paar der ganz großen Pflanzer halten sich einen Arzt auf der Plantage. Aber das wird hier zu teuer. Mal ganz abgesehen davon, dass die Quacksalber ohnehin nichts auf die Reihe kriegen.«
Nora holte tief Luft. »Ich werde mir die Leute in Zukunft ansehen, Elias«, sagte sie dann fest. »Und zwar jeden, der meint, zu krank für die Tagesarbeit zu sein. Ich kann sehr wohl beurteilen, wer sich drücken will und wer es tatsächlich
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