Die Insel Der Tausend Quellen
der Krankenpflege zur Hand zu gehen. Noras englische Zofe Nellie hätte ein solches Ansinnen entsetzt abgelehnt – und Máanu verstand es ja eigentlich auch, auf subtile Art Missbilligung zu zeigen. Aber gleich, ob ihr der Umgang mit Kranken und Verletzten etwas ausmachte oder nicht – sie nahm es auf jeden Fall gern auf sich, wenn sie Akwasi dadurch häufiger sehen konnte.
Auch der junge Feldarbeiter schien die Nähe zu ihr zu suchen. Nora beobachtete oft, dass er Herrin und Dienerin mit Blicken verfolgte, wenn sie morgens die Kranken untersuchten oder abends noch einmal nach ihnen sahen. Dann bot er sich auch manchmal an, Nora kleine Dienste zu leisten. Nora ging davon aus, dass er all das tat, um mit Máanu zusammen zu sein.
Máanu zeigte ihrer Herrin gegenüber so überschäumende Dankbarkeit für Akwasis Rettung, dass es Nora fast peinlich war. Allerdings war dieser Überschwang an Diensteifrigkeit genauso aufgesetzt wie ihre Reserviertheit am Anfang. Nora war froh, als er einer gewissen Vertrautheit wich. Máanu bewegte sich endlich ungezwungen im Umgang mit ihrer Herrin und beantwortete nun auch bereitwillig heikle Fragen.
»Natürlich gibt es Hochzeiten«, meinte sie mit einem Anflug der alten Widerborstigkeit, als Nora endlich wagte, die Frage nach Liebe im Sklavenquartier anzusprechen. »Auch bei uns lieben sich Mann und Frau und möchten zusammen leben … sofern man es uns denn zugesteht.«
»Tut man das nicht?«, fragte Nora. »Gibt es keine Zeremonien, die … zwei Menschen zusammenführen?«
Máanu zuckte die Achseln. »Unterschiedlich. Manche Pflanzer erlauben Hochzeitsfeiern, andere nicht. Manchmal machen sie sogar Geschenke oder geben den Paaren eine größere Hütte. Wenn ein Mann eine Frau auf einer Plantage hat, läuft er nicht so schnell weg.«
Nora lag es auf der Zunge, nach Kindern zu fragen, aber dann verschob sie dieses noch heiklere Thema doch auf später. »Aber … von Gott gesegnet wird … so eine Verbindung nicht?«
Sie biss sich auf die Lippen. Es war eine schwierige Frage; wegen der religiösen Betreuung der Schwarzen war sie auch schon mit Elias aneinandergeraten. Der ließ zwar zu, dass der örtliche Reverend die Schwarzen missionierte, mochte sie allerdings nicht taufen lassen. Damit, liebste Nora, würde ich ihnen schließlich eine unsterbliche Seele zugestehen. Und das, da sind wir uns doch wohl einig, ist eher fraglich, hatte er erklärend hinzugefügt.
»Der Obeah-Mann kann einen Mann und eine Frau segnen«, meinte Máanu gelassen. »Kostet allerdings ein Huhn, er muss ja die Geister erwecken. Und den Backras ist das auch nicht recht …«
Nora runzelte die Stirn. Das Wort Obeah-Mann war schon öfter gefallen, und Máanu sprach auch gelegentlich von Geistern. Große Wichtigkeit schien sie der Sache allerdings nicht beizumessen. Oder war sie nur vorsichtig? Weil es um Dinge ging, die dem Backra nicht recht waren? Nora erinnerte sich an Lady Wentworth’ Bemerkung damals in London: Da grassieren Rituale, Kindchen – furchtbar! Wenn die ihre alten Götzen beschwören …
»Es … scheint euch nicht so wichtig zu sein«, bemerkte Nora.
Máanu fuhr auf. »Es wäre Ihnen auch nicht wichtig, Missis, wenn Sie heute eine Ehe schließen, und morgen verkauft der Backra Ihren Mann oder Ihr Kind. Man kann es dann auch gleich lassen, wissen Sie?«
»Aber das müsste doch nicht sein«, murmelte Nora. »Wenn ihr nach christlichem Ritus heiraten könntet, dann …«
»Das erlaubt kein Backra!«, lachte Máanu. »Selbst wenn’s der Reverend täte. Dabei tauft der uns noch nicht mal. Wobei’s mir ziemlich egal ist, aber Toby und der alte Hardy, die glauben, dass sie da wirklich was verpassen. Dass ihre Seele dadurch gerettet würde.«
»Du glaubst das nicht?«, fragte Nora verblüfft. Máanu lebte schließlich seit ihrer Geburt auf der Plantage, sie war mit den Predigten der Reverends aufgewachsen. Eigentlich musste sie Christin sein. »Du glaubst nicht, dass dich das Gebet rettet?«
Máanu schnaubte. »Missis«, sagte sie dann hart. »Mich hat gar nichts gerettet! Und Akwasi auch nicht. Gebete, Missis, helfen nicht. Da versucht man es besser mit einem Fluch. Aber den, Missis, gibt’s nicht umsonst. Da muss man erst ein Huhn stehlen, und wenn’s der Backra merkt, schlägt er einen womöglich tot. Da gibt’s nicht viele Flüche, die das wert sind!«
Máanu wandte sich ab und verließ Noras Räume, ohne nach Erlaubnis zu fragen. Nora hielt sie nicht zurück. Ihre letzten
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