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Die Insel Der Tausend Quellen

Die Insel Der Tausend Quellen

Titel: Die Insel Der Tausend Quellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
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nicht stören. Aber manchmal konnte sie ein Leben retten. Besonders in der Versorgung der Frauen entwickelte sie Geschick, nachdem sie erst einmal herausbekommen hatte, woher die häufigen Blutungen und Krämpfe kamen. Fast jede ihrer Patientinnen litt an Komplikationen nach einer vorzeitig gewaltsam beendeten Schwangerschaft.
    Elias’ böse Bemerkung, dass die stolzen Ashanti-Frauen ihre Kinder lieber schon im Mutterleib abtöteten, als sie als Sklaven aufzuziehen, erwies sich als richtig. Auch auf anderen Plantagen gab es nur wenige Kinder – und die Namen der Frauen, die Abbrüche vornahmen, waren ein offenes Geheimnis. Nora verriet die Sklaven aber nicht, obwohl ihr die Sache zuwider war. Wäre sie hier eingeschritten, hätte sie das Vertrauen der Leute verloren, und gedient gewesen wäre letztlich niemandem. Zweifellos hätten die Pflanzer die Engelmacherinnen gehenkt – und die Frauen hätten sich an neue, weniger erfahrene Helferinnen gewandt.
    Nora jedenfalls schrieb an Dr. Mason und bat um Ratschläge und medizinische Handbücher zu allen gängigen Krankheiten und Geburtskomplikationen. Dr. Mason verstand. Auch im Eastend kam nicht jedes Kind zur Welt, das im Rausch von Gin und Verzweiflung gezeugt worden war. Adwea steuerte ein paar Hausrezepte bei, und Nora studierte und probierte aus und gelangte so zu immer größerem Wissen und einer Sammlung wirksamer Heilmittel. Insgesamt konnte sie natürlich nicht viel tun, aber oft war den Kranken ja schon damit geholfen, dass sich die Ladys bei ihren Gatten dafür einsetzten, sie ein paar Tage von der Arbeit freizustellen. Besonders die Frauen erholten sich dann oft ohne größere Behandlung. Denn auch darin hatte Elias Recht behalten: Die Menschen, die eine Überfahrt im Sklavenschiff und mehrere Jahre in den Zuckerrohrplantagen überlebt hatten, waren zäh.
    Nora jedenfalls freute sich über jeden geheilten Patienten, und die Anerkennung, die ihr dafür in den Sklavenquartieren zuteil wurde, erwärmte ihr Herz. Zudem trug sie zu ihrer vermehrten Freiheit und Zufriedenheit bei: Kein Stallbursche verriet Elias, wenn Nora mal allein ausritt, niemand kommentierte ihre Ausflüge zum Strand. Máanu war in den letzten Monaten fast zu einer Freundin geworden.
    Es hatten sich auch weitere Beschäftigungen für Nora gefunden. Sie bestellte Bücher von Sir Hans Sloane über Jamaika und machte sich selbst an die Erforschung von Flora und Fauna ihrer neuen Heimat. Denn allen Widrigkeiten zum Trotz: Nora liebte die Insel, und je mehr Zeit sie hier verbrachte, desto weniger Trauer empfand sie beim Gedanken an Simon. Dabei vergaß sie ihn keinesfalls, sie hielt ihr Versprechen, seinem Geist offen zu sein, und meinte ihn manchmal zu spüren. Aber sie zog Trost aus dem Gedanken, all die Wunder hier für ihn zu sehen, ihm ihre Augen, ihr Gehör und ihren Geruchsinn zu leihen, damit auch er Teil der Insel werden konnte. Nora weinte nicht mehr am Strand, sie genoss Meer, Sonne und Sand mit allen Sinnen.
    Was Elias anging, so störte er weder ihre Träume noch ihren Schlaf. Schon in den Wochen nach der Hochzeit hatte sein Interesse an seiner jungen Frau erkennbar nachgelassen, und nach einem halben Jahr Ehe besuchte er Nora eigentlich gar nicht mehr. Natürlich kam es vor, dass er in einer trunkenen Nacht nach ihr griff – aber das geschah eigentlich nur noch, wenn sie im Anschluss an eine Gesellschaft bei anderen Pflanzern oder in Kingston übernachteten und gezwungen waren, sich ein Bett zu teilen. Nora ging schließlich dazu über, sich bei solchen Gelegenheiten vertrauensvoll an die Gastgeberin zu wenden und schon relativ früh am Abend fürchterliche Kopfschmerzen vorzutäuschen. Die Dame des Hauses wies ihr dann meist ein Einzelzimmer an, in dem Máanu sich um sie kümmern konnte. Niemand fand etwas dabei, wenn die Sklavin auch dort schlief, allerdings wurde ihr keine Matte oder gar ein Bett zur Verfügung gestellt. Máanu musste sich auf dem Boden zusammenrollen. Nach den ersten zwei oder drei Malen wusste sie Bescheid und brachte ihre Schlafmatte mit.
    Von Elias kam nie ein Wort des Protestes, und es schien ihn auch nicht zu stören, dass ihre Ehe nicht mit Kindern gesegnet wurde. Er hatte wohl nicht gelogen, als er Noras Vater erklärte, er ginge die Ehe hauptsächlich aus gesellschaftlichen Gründen ein. Nora war das mehr als recht, auch wenn sie sich manchmal fragte, wo Elias wohl seine Befriedigung erfuhr. Für einen Mann war es schließlich ungewöhnlich, zu leben

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