Die Insel Der Tausend Quellen
tun.
Auch die Eingangstür bewachte ein Diener in Livree.
»Wen ich darf melden?«, fragte der Diener steif und blätterte nervös in einer Gästeliste. Zweifellos kannte er sämtliche erwarteten Gäste, es war ausgeschlossen, dass er lesen konnte. »Ich nicht wissen, ob …«
»Ich wurde tatsächlich nicht eingeladen«, half Doug ihm aus der Klemme. »Aber bitte melde doch dem Backra, sein Sohn Douglas Fortnam sei eingetroffen.«
Elias kam gleich selbst zur Haustür, anscheinend konnte er die Nachricht des Sklaven kaum glauben.
»Douglas!« Elias musterte seinen Sohn. »Dich hätte ich nun wirklich nicht erwartet. Wieso kommst du …?«
Doug rang um ein Lächeln. »Möchtest du mich nicht erst mal begrüßen, Vater? Und so sehr kann es dich doch auch nicht überraschen. Es war immer vereinbart, dass ich heimkomme, wenn ich meine Studien beendet habe.«
Elias’ eher unwilliger Gesichtsausdruck wich einem Strahlen. »So habe ich hier also einen leibhaftigen Rechtsgelehrten vor mir! Gratuliere, mein Junge!«
Doug ergab sich seiner Umarmung, obwohl diesmal am liebsten er sich gedrückt hätte. »Mehr oder weniger«, bestätigte er, während er seinem Vater ins Herrenzimmer folgte. Zum Glück waren noch keine anderen Gäste anwesend.
Elias griff nach einer Rumkaraffe. »Lass uns darauf einen trinken! Was heißt … ›mehr oder weniger‹?«
Doug nahm einen tiefen Schluck, obwohl er es eigentlich zu früh fand. Gewöhnlich trank er nicht vor Sonnenuntergang. »Auf meine glückliche Heimkehr!«, sagte er.
»Als graduierter Advokat in Oxford!«, strahlte Elias und trank ebenfalls. Er hielt jedoch inne, als er Douglas’ Gesicht sah.
»Davon … darf ich doch ausgehen?«, fragte er streng.
Doug zuckte die Achseln. »Als Spezialist für See-und Handelsrecht«, schränkte er ein, wobei auch das ein bisschen Hochstapelei war. »Was immer ich hier auf Jamaika für die Pflanzer tun kann, was immer an Verträgen auszuhandeln ist – du kannst sicher sein, dass ich Cascarilla Gardens bestens vertreten werde.«
Doug setzte sich und nahm noch einen Schluck Rum, bevor der Sturm über ihm ausbrach.
»Du hast dich also gedrückt? Du hast das Studium nicht beendet?« Elias lief rot an, und die Ader auf seiner Stirn pochte.
»Ich weiß alles, was ich wissen muss«, verteidigte sich Doug. »Aber um das auch noch schwarz auf weiß zu kriegen, hätte ich ein oder zwei weitere Jahre in Oxford bleiben müssen. Das war’s mir nicht wert, Vater. Ich wollte heim!«
»Heim!« Elias wanderte wutentbrannt im Zimmer umher. »Du hörst dich an wie ein kleines Kind. Und du ›weißt genug‹! Als ob es darauf ankommt!«
»Ich könnte eine Plantage führen!«, behauptete Doug.
Elias schnaubte. »Mit erfahrenen Aufsehern, mein Junge, kann das jedes Kind!«, sagte er hart. »Aber eine Handelsniederlassung in London, eine Vertretung auf dem Kontinent, nun, da wir dort dieses Stadthaus haben und beste Beziehungen. Doch der König wird keinen hergelaufenen abgebrochenen Studenten empfangen. Dagegen einen angesehenen Anwalt und …«
»Der König wird höchstens einen Lord empfangen«, bemerkte Doug. Er verteidigte sich, aber in ihm breitete sich Kälte aus. Darum war es also gegangen. Sein Vater hatte gar nicht vorgehabt, ihn nach Abschluss seiner Studien zurück nach Jamaika zu holen. Stattdessen hatte er hochfliegende Pläne, zweifellos ausgeheckt mit dem Vater seiner jungen Frau. Hatte der ihr nicht auch das Stadthaus in Mayfair geschenkt? Da also hätte Doug nun residieren sollen und Lobby-Arbeit für die Zuckerrohrpflanzer auf Jamaika leisten. Vielleicht auch selbst Fernhandel treiben? Thomas Reed hatte, soweit Doug wusste, keine männlichen Erben. Womöglich sollte Doug dort den Stuhl freihalten für ein Kind … Ob diese Nora schwanger war? »Und wir waren uns doch wohl darin einig, dass ein Fortnam sich kein Rotten Borough kaufen muss, um stolz auf seinen Namen zu sein!«
»Auch ein ehrlich erworbener Titel hätte dir den Weg geebnet! Aber du musstest ja in der Weltgeschichte herumreisen, statt …«
Elias sprach nicht weiter. Jetzt war es ohnehin zu spät, er konnte seinen Sohn kaum in Ketten legen und auf das nächste Schiff nach England zwingen. Zumal auch das nichts genützt hätte. Auf dieser vermaledeiten Reise war der Junge schließlich auch nicht verhungert, im Gegenteil, er sah blühend aus – Elias erinnerte sich fast wehmütig an seine eigene kraftvolle Statur und sein mutwilliges Lachen als junger Seemann. Wenn
Weitere Kostenlose Bücher