Die Insel Der Tausend Quellen
sah bereits die Sklavenhütten im Licht des Nachmittags.
»Ich gar nicht mehr sprechen, Backra«, beschied ihn Akwasi. »Nicht erlaubt Feldnigger, reden mit Backra – und für den Backra ist es wohl unter seiner Würde, reden mit Nigger.«
Der letzte Satz rutschte ihm fast grammatikalisch korrekt heraus, aber jetzt konnte er sich der Unterhaltung mit Douglas ohnehin entziehen. Ein Weg führte zu einer abseits gelegenen Hütte, dessen Bewohner Akwasi zwar kaum kannte, den er jetzt aber besuchen würde. Nur weg vom Hauptweg, nur weg von Doug!
Douglas folgte ihm nicht, er war zu aufgewühlt, er würde heute doch nicht die richtigen Worte finden. Außerdem wurde es Zeit, zum Haus zu reiten. Immerhin fürchtete er sich nicht mehr vor der Begegnung mit seinem Vater. Schlimmer als das hier konnte es nicht kommen.
KAPITEL 2
D oug war überrascht, dass es in den Pferdeställen vor Leben nur so wimmelte. Eigentlich hatte er höchstens mit einem Schwarzen als Notbesetzung gerechnet, die anderen sollten an diesem Tag freihaben wie die Feldsklaven. Stattdessen trugen der Stallmeister und die Burschen jedoch Livree, und alle Anbindeplätze und Boxen waren sauber und für Besuchspferde vorbereitet. Auf Doug, den hier niemand kannte, trat gleich der Stallmeister zu.
»Ich nehmen ab Pferd, Sir, Backra. Sie wollen sicher frisch machen.« Er ließ den Blick fast etwas missbilligend über Dougs Breeches gleiten, die gegenüber seiner vornehmen Uniform schwer abfielen. »Georgie Sie führen in Haus zu umziehen …« Er wies auf einen kleinen Jungen, der wohl für Botendienste bereitstand.
Doug schüttelte lächelnd den Kopf. »So vornehm, Peter?«, neckte er den Sklaven. Peter war schon Stallmeister gewesen, als Doug und Akwasi noch kichernd die Ställe unsicher gemacht hatten. »Ich hätte dich fast nicht erkannt mit der Perücke. Wer ist denn auf die Idee gekommen?«
Tatsächlich trug der Sklave eine aufwändige weiße Perücke wie ein Butler in England, wenn seine Herrschaft zum Fest lud.
Peter blickte gequält. »Mich kennen Backra?«, fragte er unsicher.
Doug nickte. »Natürlich, Peter. Du mich nicht? Denk doch mal nach! Wer hat dem Pferd vom alten Hollister mal Kletten unter die Satteldecke gelegt, damit’s ihn runterbuckelt, wenn er aufsteigt?«
Peter musterte Doug und verzog dann das Gesicht zu einem Grinsen.
»Backra Douglas …«
Doug machte den zweiten Versuch an diesem Tag, einen alten Freund zu umarmen, und wurde diesmal nicht abgewiesen. Der alte Stallmeister erwiderte die Begrüßung etwas scheu, aber bärentatzig herzlich.
»Das ich wusste gar nicht, Backra Doug, dass Sie kommen heim! Backra Elias nichts gesagt!«
Doug lachte. »Dann hast du dich also nicht für mich so in Schale geworfen? Das enttäuscht mich jetzt. Oder lauft ihr neuerdings immer so rum, seit mein Vater eine dünkelhafte Lady aus England gefreit hat?«
Er schaute belustigt in die schwarzen Gesichter der Stallburschen in den blau-silbernen Livreen.
Peter schüttelte den Kopf. »Ach was! Missis gut, Missis Engel!« Auf Nora ließ keiner der Arbeiter etwas kommen. »Aber heut Weihnachten, große Fest in Haus, viele Backras und Missis, Musik, Tanz … alle schön angezogen, selbst Nigger.« Er drehte sich grinsend vor Doug.
»Na, dann passt mal auf, dass ihr euch nicht schmutzig macht«, verabschiedete sich Doug. »Du kümmerst dich um mein Pferd, ja? Es ist nicht so verrückt, wie es jetzt tut.« Amigo hatte angefangen, nervös herumzutänzeln, als ein Stallbursche ihn übernahm. »Aber es hat Angst vorm schwarzen Mann.«
Peter winkte ab. »War genauso mit Pferd von Missis«, meinte er dann. »ändert sich, wenn geben bisschen Hafer.«
Doug machte sich also beruhigt auf den Weg zum Haus und fragte sich, ob er sich darüber freuen sollte, dass er hier in eine Gesellschaft hineinplatzte, oder ob das eher schlecht war. Auf jeden Fall würde sein Vater keine Gelegenheit haben, ihn gleich hochnotpeinlich zu befragen, und nach diesem Abend würde halb Jamaika wissen, dass Douglas Fortnam wieder da war. Sein Vater konnte ihn also auf keinen Fall aufs nächste Schiff verfrachten und nach England zurückschicken. Die letztere Erkenntnis machte Doug Mut für die Begegnung mit Elias. Er dachte noch kurz nach, ob er den Haupteingang benutzen oder sich durch die Küche ins Haus schleichen sollte, aber dann entschied er sich für den offiziellen Weg. Mama Adwe konnte er später begrüßen, die hatte jetzt sicher sowieso alle Hände voll zu
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