Die Insel Der Tausend Quellen
Spitzenbesatz des Unterkleides hervor. Ihre Taille war sehr schmal, der Ausschnitt ließ kleine feste Brüste erahnen. Und das Gesicht … Doug stockte der Atem, als er in ein kaum gepudertes, schmales Gesicht blickte, das er an diesem Tag schon einmal gesehen hatte. Und das bernsteinfarbene Haar … – am Nachmittag hatte es ihr Gesicht offen umspielt, jetzt fiel es kompliziert geflochten und mit Blüten geschmückt über ihren Rücken. Doug wusste nicht, wann sie ihm vollkommener erschienen war, draußen am Meer oder jetzt in ihrem Festglanz.
Nora Fortnam lächelte ihren Gästen zu. Die junge Frau vom Strand … Doug hatte das Gefühl, als ob sich alles um ihn drehte. Auf jeden Fall musste er sich erst einmal sammeln, bevor er seiner Stiefmutter gegenübertrat. Doug suchte einen Fluchtweg, konnte andererseits aber nicht die Augen von Nora lassen. Ihre Röcke umspielten ihre Knöchel, während sie, geführt von Elias, von einem der Gäste zum anderen tanzte. Der junge Mann hatte diese Bewegungen bisher stets als gekünstelt empfunden. Er wusste nicht, was seine Freunde und Kommilitonen so erotisch daran fanden, wenn die Beine einer Frau Sekundenbruchteile lang sichtbar wurden. Er hatte sich da lieber an den Bauernmädchen sattgesehen, die auf nackten Füßen und mit kürzeren Röcken auch recht anmutig durchs Leben kamen. Aber hier verzauberte ihn Noras Spiel mit ihren Reizen. Er hoffte, dass man ihm sein Entzücken nicht allzu genau ansah, als Elias sie nun auf ihn zuführte.
»Nora, ich berichtete dir schon von unserem … hm … Überraschungsgast«, sagte er steif. »Meine Gattin Nora, Doug. Nora, Douglas Fortnam, mein Sohn.«
Nora sah zu Doug auf und lächelte ihm zu. Er sah jetzt, dass ihre Augen grün waren. Von einem betörenden, satten Grün – oder waren es unzählige Grünschattierungen? Noras Augen spiegelten die üppigen Farben des Dschungels von Jamaika wider, und die Wärme, die sie ausstrahlten bei Douglas’ Anblick, war nicht gespielt.
»Wie nennt man Sie? Doug? Willkommen daheim!«
KAPITEL 3
S ie müssen mir alles von Ihren Reisen erzählen!«, forderte Nora Doug munter auf, als er sie kurz darauf zu Tisch führte.
Sie hatte die Tischordnung rasch geändert, als sie von der Ankunft ihres »Stiefsohns« hörte, und Doug zwischen sich und ihrem Gatten als ihren Tischherrn platziert. Der junge Mann hatte schließlich eine lange Reise und den Ritt von Kingston hinter sich, er musste müde sein. Und von den Weißen auf der Insel kannte er niemanden mehr – höchstens an die Namen der anderen Gäste mochte er sich noch erinnern. Sicher hatte er wenig Lust, jetzt auch noch Konversation mit einer Nachbarin zu machen, die womöglich nichts Besseres zu tun hatte, als ihm ihre Tochter als künftige Gattin anzudienen.
»Sie waren in Italien und Spanien, nicht wahr? Dort soll es schöne Küsten geben, und warm ist es auch, oder? Ist es so wie hier? Zuckerrohr wächst dort aber nicht?« Nora schien wirklich interessiert.
Doug lächelte ihr zu. Er spürte ihre kleine warme Hand auf seinem Arm und sah in ihr waches, aufmerksames Gesicht. Und er hatte sich selten so wohl – und doch so aufgewühlt gefühlt.
»Nicht wie hier«, antwortete er dann. »Nichts in der Alten Welt ist wie hier. Aber sonst haben Sie Recht, auch die Mittelmeerländer haben ihre Reize. Und statt Zuckerrohr pflanzt man dort Weintrauben. Ich denke doch, dass Sie den Rebensaft dem Zuckerrohrschnaps vorziehen, oder?«
Er rückte ihr den Stuhl zurecht und wollte gleich selbst nach der Weinkaraffe greifen, die vor ihnen auf dem Tisch stand. Nora hob die Hand und schüttelte fast unmerklich den Kopf. Doug verstand den Wink. Er wartete ab, bis sich ein schwarzer Diener genähert hatte und beide bediente.
»Ich bin keine Gesellschaften mehr gewohnt«, entschuldigte er sich.
Nora lächelte. »Sie werden sich schnell wieder hineinfinden«, meinte sie dann. »An Bequemlichkeiten gewöhnt man sich rascher als an den Verzicht darauf. Ich fand es am Anfang auch sehr seltsam, dass man mir jeden Handgriff abnahm. Aber nun essen Sie erst mal – sie müssen hungrig sein nach dem Ritt und der Reise … von den kulinarischen Zumutungen unterwegs gar nicht zu reden.«
Doug bediente sich von dem Krebsschwanzcocktail, den der Diener ihm vorhielt, und musste aufpassen, nicht zu gierig zuzugreifen oder das Essen gar in Matrosenmanier in sich hineinzuschaufeln. Es war deliziös, Adweas Kochkünste standen denen der französischen und italienischen
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