Die Insel Der Tausend Quellen
wie ein Mönch! Sie forschte aber niemals nach, letztendlich war es ihr gleichgültig, solange nur keine Sklavenkinder mit Elias’ Gesichtszügen auf der Plantage herumliefen.
»Fertig!«, meldete Máanu und hielt Nora gekonnt den Spiegel hin, sodass auch sie das Flechtwerk an ihrem Hinterkopf bewundern konnte. »Gut?«
Nora nickte und richtete sich resignierend auf, um sich jetzt schnüren zu lassen. Vorher half ihr Máanu allerdings noch in aufwändige Spitzenstrümpfe. Nora seufzte, als sie an die lange Nacht in den engen Schuhen dachte. Sie war längst daran gewöhnt, barfuß zu gehen wie ihre Sklavinnen, auch wenn sie damit sehr vorsichtig sein musste. Elias hatte wahre Wutanfälle bekommen, als er sie zweimal dabei ertappte. Nora hatte den Verdacht, dass die Aufseher ihm die Information hinterbrachten, wenn sie dahinterkamen. Máanu schleppte jetzt auch den Reifrock heran, nach neuester Mode in ovaler Form und durch zusätzliche Polster an den Hüften verstärkt. Das würde obendrein heiß werden. Aber Nora wusste, was sie Elias und ihrer Stellung auf der Plantage schuldig war. Ergeben hielt sie die Luft an, ließ sich schnüren, in Mieder und Jupe helfen und dann das Kleid überziehen.
Ihr Anblick im Spiegel belohnte sie dann in gewisser Weise. Immerhin war sie schön, sie würde den Mittelpunkt des Festes bilden. Wenn es nur jemanden gäbe, für den sich all der Aufwand lohnte! Sie musste an diesem Abend ein Perlencollier tragen, aber sie ließ Simons Andenken in eine kleine Tasche, unsichtbar zwischen all den Falten ihrer Abendrobe, gleiten. Nora war nicht immer glücklich, aber solange sie das Schmuckstück bei sich hatte, fühlte sie sich auch nie wirklich allein.
Doug ließ die Bemühungen von Elias’ Leibdiener über sich ergehen und hörte über seine Lamentos hinweg, dass an seiner Erscheinung in so kurzer Zeit nicht allzu viel zu richten war. Sein bester Anzug erwies sich als dem Anlass nicht entsprechend, schließlich hatte er noch nicht mal ein Brokatjackett, und die Spitze des Hemdes … Doug musste selbst zugeben, dass sie eher aussah wie ein toter Tintenfisch als wie ein Halsschmuck. Schließlich bemühte der verzweifelte Diener eine wahre Heerschar an Näherinnen, die rasch ein Justaucorps, eine Weste und eine Culotte seines Vaters für ihn umarbeiteten. Die provisorische Stichelei würde kaum lange halten, Doug hoffte, dass die Mädchen ihm die Sachen nicht zu eng auf den Körper schneiderten, auch wenn es die Mode befahl.
Während draußen die letzten Gäste eintrafen, wurden sie dann endlich fertig, und Doug war sein Anblick im Spiegel fast peinlich: Ein Stutzer in der wattierten Weste, dem Jackett mit kurzen, offenen ärmeln mit aufwändigen Umschlägen und in der Taille zusammengebundenen Schößen. Das obendrein in auffälligem Weinrot!
»Jetzt noch Perücke, Backra!«, erklärte Elias’ Diener.
Aber da stellte Doug sich quer. »Ich habe helles Haar, Terry, ich brauche es nicht künstlich zu weißeln oder gar ergrauen zu lassen. Es ist auch sehr voll, von einer Glatze bin ich weit entfernt. Wozu also so ein Monstrum von Kopfschmuck? Noch dazu bei dieser Wärme! Flechte mir in Gottes Namen den Zopf, Terry, das kannst du sicher besser als ich. Aber ansonsten werde ich dieser Gesellschaft entgegentreten wie Gott mich schuf. Dann erkennen mich die Leute wenigstens wieder, wenn sie mich morgen auf der Straße treffen. Und nein, ich pudere mir nicht das Haar und erst recht nicht das Gesicht! Ein Unsinn, sich totenbleich zu schminken! Ich bin doch kein Geist!«
Terry wirkte besorgt, sicher würde sein Herr ihn tadeln. Aber Doug wollte jetzt hinaus zu den Gästen, und er war gespannt, ob er noch jemanden erkannte.
Er kam dann gerade zurecht, um den Auftritt von Elias und Nora Fortnam zu erleben. Die Gäste hatten sich im Foyer des Hauses versammelt, an das Ballsaal und Speisezimmer anschlossen, und eben kündigte der Tanzmeister das Erscheinen der Gastgeber an.
»Lords and Ladies, Mesdames et Messieurs – Mr. und Mrs. Fortnam!«
Elias schritt, in hellen Kniehosen und einem Justaucorps aus hellblauer Seide, die Perücke perfekt gepflegt und den Dreispitz unter dem Arm, die Treppe herunter, an seinem Arm eine zierliche Frau, die sich trotz ihres aufwändigen Reifrocks höchst anmutig bewegte. Über hellgrünen Röcken trug sie ein vorn offenes Mantelkleid, weiß, mit kleinen und größeren Blüten bedruckt. Die ärmel waren halblang und liefen flügelartig aus. Darunter blitzte der
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