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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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gespenstisch verworrenen Landschaft an.
    Plötzlich sträubte sich mein Haar. Der Atem stockte mir. Am Erdboden gewahrte ich eine längliche Gestalt, die sich im Schatten des Dickichts bewegte. Sie blieb stehen, als schaue sie zu mir herauf, und schlich dann wieder weiter. Meine vor Erregung umflorten Augen begannen die Dinge doppelt zu sehen. Um nicht hinunterzufallen, hielt ich mich an einem Ast fest. Ich glaubte das Krachen von Zweigen und ein undeutliches, gedämpftes Knurren zu hören. Vielleicht waren es nur die erregten Sinne, die mir einen Streich spielten und mich Dinge sehen und hören ließen, die nicht existierten?
    Dann ertönte direkt unter mir ein verdächtiges Geräusch, als kratzten die Tatzen eines großen Raubtieres an der Baumrinde. In meiner erhitzten Phantasie sah ich schon, wie sich eine Bestie am Stamm meines Baumes aufrichtete. Ich umspannte mit der rechten Hand den Messergriff und neigte mich nach allen Seiten vor, um festzustellen, was dort unten umherkrieche, doch die Zweige verhüllten mir die Sicht. Unter dem Baum war es im übrigen dunkel wie in einem Sack. Dann wurde es still, der Schlaf überwältigte mich, und ich hörte auf, über Gefahren und Mißgeschick nachzudenken. Ich tröstete mich sogar, daß all das vielleicht nur eine Verwirrung der aufgepeitschten Sinne sei.
    Als ich nach Sonnenaufgang vorsichtig vom Baum stieg, erblickte ich an der Rinde frische Kratzspuren. Also mußte es doch irgendein großes Tier gewesen sein! Mir wurde unheimlich zumute. In den virginischen Wäldern war ich von Jugend auf an wilde Tiere gewöhnt. Mit welcher Waffe trat ich jedoch hier, in einem fremden Land, der mir unbekannten Natur gegenüber? Es war der reinste Hohn: nur mit einem Messer!
    Dem Meere zueilend, warf ich wachsame Blicke in das Dikkicht ringsum. Ich atmete erst auf, als ich den feinen Strandsand unter meinen Füßen fühlte und der salzige Seewind mir das Gesicht erfrischte.

Ich war auf einer Insel
    D ie tags zuvor zum Abendessen, so sammelte ich jetzt Weichtiere zum Frühstück. Leider überzeugte ich mich, daß sich heute weit weniger im Sande vorfanden und daß viele bereits verdorben und ungenießbar waren. Trotzdem aß ich mich an ihnen satt und bereicherte das Frühstück sogar mit einem neuen Gericht: Unter den nahen Palmen fand ich zwischen den vom Sturm abgerissenen Zweigen einige Kokosnüsse, die während des Unwetters herabgefallen waren. Ich schälte mit dem Messer ihre grüne Rinde ab; dann schlug ich die Nüsse an Steinen auf und ließ mir die gute Kokosmilch und das nahrhafte Fleisch schmecken.
    Als ich meinen Magen gefüllt hatte, kam ich wieder zu Kräften, und neuer Unternehmungsgeist begann sich in mir zu regen. Ich sah, wie rasch die Weichtiere verdarben, wenn sie ohne Wasser in der Sonne lagen; daher beschloß ich, mir den noch vorhandenen Vorrat zu sichern. Mit Hilfe einer großen Muschel hob ich im Sande eine so tiefe Grube aus, daß auf ihrem Grunde Seewasser hervortrat. Dort hinein legte ich mehr als zweihundert Weichtiere. Dieser Vorrat reichte für einige Tage, falls ich sonst keine andere Nahrung finden sollte. Um die Grube vor Sonnenstrahlen zu schützen, bedeckte ich sie mit Zweigen der Kokospalmen.
    Meine Aufmerksamkeit wurde auf einen mäßig hohen Berg gelenkt, der sich, teils felsig, teils mit stachligem Gebüsch bewachsen, einige hundert Schritt vom Strand entfernt erhob. Vielleicht sollte ich auf seinen Gipfel steigen, um zu sehen, was für ein Land mich umgab? Möglicherweise entdeckte ich von dort oben gerettete Matrosen oder gar menschliche Siedlungen? Immerhin war es besser, von vornherein zu wissen, woher Gefahr drohe oder — Hilfe zu erwarten sei.
    Der Aufstieg war weniger beschwerlich, als ich vermutet
    hatte, und nach einer halbstündigen Wanderung stand ich auf
    dem Gipfel. Voller Spannung schaute ich mich um. Eine herrliche, weite Aussicht breitete sich vor meinen Augen aus.
    Plötzlich zuckte ich zusammen. Erschüttert sah ich, daß mich von allen Seiten der Ozean umgab. Ich war auf einer Insel. Im Westen und Norden fiel das Land in nebelhafter Ferne fast mit dem Meer und dem Himmel zusammen, doch konnte man, trotz der Entfernung von einigen Meilen 3 , ringsum das dunkelblaue Wasser sehen. Ich war von ihm wie von Gefängnisgittern eingeschlossen — befand mich in einer Falle. Ohne Boot oder Werkzeuge zum Bau eines Bootes hatte ich keine Möglichkeit, von hier fortzukommen. In dieser Gegend gab es riesige Wasserflächen, die von keinem

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