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Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
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europäischen Schiff befahren werden; so konnte mir also die Insel zum Fluch werden und mich jahrelang gefangenhalten.
    Zum erstenmal nach dem Untergang des Piratenschiffes fiel mir Robinson Crusoe ein, und es wurde mir bewußt, wie sehr meine jetzige Lage seinem Schicksal glich. Ebenso wie er war ich als Schiffbrüchiger auf eine menschenleere Insel verschlagen worden.
    „Achtundzwanzig Jahre auf einer menschenleeren Insel gelebt!" Die im Titelblatt seines Buches enthaltenen Worte kamen mir ins Gedächtnis. Sollte auch mir ein solches Schicksal beschieden sein?
    „Nein! Sicherlich nicht!" sagte ich laut zu mir selbst, denn meine Zuversicht wuchs, als ich aufmerksam nach allen Seiten Umschau hielt.
    In der klaren Luft reichte mein Blick weit aufs Meer hinaus. Die Insel, auf der ich mich befand, lag nicht vereinzelt inmitten der endlosen Wasserfläche. Am nördlichen Horizont traten die Umrisse einer anderen, weit größeren und im westlichen Teil gebirgigen Insel hervor. Auf der entgegengesetzten Seite, im Süden, zog sich, wahrscheinlich nicht mehr als sieben oder acht Meilen entfernt, flaches Land hin. Das konnte ein Teil des Festlandes oder auch irgendeine größere Insel sein. Die Nähe dieses Landes ermutigte mich.
    Als ich mir meine Umgebung genauer betrachtete, stellte ich fest, daß hochstämmige Bäume nur in einem kleinen Wald In der Mitte der Insel standen. Sonst wuchsen überall Sträucher in mehr oder weniger geschlossenem Dickicht, das nur stellenweise von fahlgelber kahler Steppe unterbrochen war. Die Insel hatte ein ausgesprochen trockenes Klima; das konnte ich aus dem Mangel an Flüssen und der Vielzahl stachliger Sträucher, verschiedenartiger Agaven und Kakteen ersehen. Der Bach, den ich tags zuvor in der Nähe meines Nachtlagers entdeckt hatte, entsprang dem in der Mitte der Insel gelegenen Wald und bildete den einzigen Süßwasserlauf, den ich von der Höhe aus wahrnahm. An den wirren, zerrissenen Ufern grub sich das Meer stellenweise keilartig in die Insel ein und schuf Einbuchtungen, die besonders dort, wo die Federbüsche der Kokospalmen in die Höhe ragten, das Auge entzückten. Wäre ich mir meiner traurigen Lage nicht bewußt gewesen, so hätte ich mich an dem reizenden Landschaftsbild weiden können. Obgleich ich meinen Blick angestrengt über die gesamte nähere Umgebung schweifen ließ, bemerkte ich nichts, was auf die Anwesenheit von Indianern schließen ließ. Das tröstete mich.
    Der Berg, auf dem ich stand, erhob sich unweit des Oststrandes. Von seinem Gipfel aus konnte ich in nördlicher Richtung ziemlich deutlich die Dünen überschauen, auf denen ich am Vortage die Überreste eines Rettungsbootes entdeckt hatte. Da ich die Gegend auf der entgegengesetzten, der Südseite, noch nicht kannte, richtete ich den Blick dorthin, in der Hoffnung, irgendeine Spur überlebender Schicksalsgenossen zu finden. Ich hatte die Adleraugen eines Jägers, konnte aber lange Zeit nichts Bemerkenswertes erspähen. Ich beobachtete Abschnitt um Abschnitt des Ufergeländes, das mir überall in einförmiger Leere entgegenstarrte.
    Mit einem' mal glaubte ich etwas wahrzunehmen. Ich strengte den Blick an, daß mir die Augen schmerzten. Weit im Süden lag etwas auf dem Sand. Vielleicht ein Stück von einem Baumstamm oder ein Schiffsteil: irgendein undeutlicher, unnatürlicher Gegenstand, etwas, was in dieses Landschaftsbild nicht hineinpaßte. Vielleicht ein Mensch? Als ich länger hinsah, gewahrte ich in der Nähe des eigenartigen Gegenstandes eine ungewöhnliche Bewegung: dunkle aufspringende Pünktchen. Nach einer Weile zweifelte ich nicht mehr
    daran, daß es große schwarze Vögel waren, die sich um einen Fraß versammelt hatten. Geier — durchzuckte es mich. Falls ich richtig erraten hatte, sollte es dann nicht ein soeben verendetes Tier — oder ein Mensch — sein, den die Geier umlagerten?
    Ich sprang auf und lief, wie von Hunden gehetzt, den Berg hinunter. Nachdem ich mich durch die Sträucher zum Meer hindurchgearbeitet hatte, rannte ich am Ufer entlang. Bald erkannte ich, daß es tatsächlich Geier waren, und dann sah ich einen regungslos daliegenden Menschen, um den sich die gefräßigen Vögel im Kreise scharten. Das Herz schlug mir zum Zerspringen, doch verlangsamte ich meinen Lauf nicht. Der Kleidung nach zu urteilen, schien es ein Matrose unseres Schiffes zu sein.
    Er lag auf dem Rücken, er lebte nicht - ich sah es von weitem. Als ich sein Gesicht erkannte, hätte ich vor Entsetzen

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