Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Insel der Verdammten

Die Insel der Verdammten

Titel: Die Insel der Verdammten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Fiedler
Vom Netzwerk:
aufschreien mögen. Es war unser Kapitän. Die Geier hatten ihn noch nicht angerührt. Seine Augen waren weit aufgerissen, als seien ihnen die Augenhöhlen zu eng geworden. Obwohl sich in diesen leblosen Augen der ganze Schrecken des Todeskampfes malte, schauten sie mich noch voll grimmiger Rachsucht an, fast wie damals, als der Bösewicht mich umbringen wollte. Ich versuchte, ihm die Lider zu schließen. Sie waren steif und ließen sich nicht bewegen.
    Die linke Hand hielt krampfhaft eine Pistole umspannt; nur mit großer Kraftanstrengung gelang es mir, den steifen Fingern die Waffe zu entreißen.
    Die Freude, die ich beim Anblick der Pistole empfand, währte nicht lange. Ihr Lauf war zur Hälfte mit feuchtem Sand verstopft und das Pulver durch Seewasser verdorben. Eine schöne Waffe, jetzt aber für mich ganz ohne Nutzen, da ich kein Körnchen brauchbaren Pulvers besaß.
    „Hier hast du, Jan, die Erfüllung deiner Träume!" brummte ich mit bitterer Ironie vor mich hin. „Hast eine Waffe, aber kein Pulver!"
    In meiner Enttäuschung wollte ich die Pistole in die Sträucher werfen, unterließ es aber und verwahrte sie aus angeborener Achtung vor jeglicher Art Waffe, selbst vor einer unbrauchbaren.
    Ich betrachtete die Leiche eingehend. Am Kopf sah man
    eine Wunde, die anscheinend den Tod des Kapitäns herbeige führt hatte. Die Wunde rührte vom Zusammenstoß mit einem harten Gegenstand her; der Schädel war an dieser Stelle gespalten.
    „Teufel auch!" rief ich aus und schaute ringsum. „Woran kann er sich so zerschlagen haben?"
    Sand bedeckte an dieser Stelle das Meeresufer, in der Nähe gab es keinerlei Felsen, nur hier und da lagen Steine von mäßiger Größe.
    Sollte er sich den Schädel an einem dieser Steine gespalten haben? Ich bezweifelte das.
    Rund um die Leiche gewahrte ich eine große Anzahl undeutlicher Spuren, wie von Menschenfüßen. Jedenfalls schienen es menschliche Fußspuren zu sein; ich war jedoch meiner Sache nicht sicher, denn sie verliefen sich im lockeren Sande. Anscheinend hatte sich der Kapitän vor seinem Tode hier bewegt, ehe er leblos niedersank.
    Merkwürdig kam mir das alles vor! Ich wurde nachdenklich. Die rätselhafte Kopfwunde und die Pistole in der linken Hand... Merkwürdig war das!
    Ich betrachtete den Leichnam, während die Geier, die sich nur wenige Schritte von mir entfernt niedergesetzt hatten, geduldig auf mein Fortgehen warteten, um sich dann auf ihn zu stürzen. Natürlich hatte ich für den Kapitän nicht eben freundliche Gefühle übrig; doch widersprach es mir, daß die scheußlichen Raubvögel sich an Menschenfleisch mästen sollten. Ich zog die Leiche an den Rand des Dickichts und verscharrte sie mit den Händen im Sande.
    Zuerst hatte ich daran gedacht, dem Kapitän die Kleider abzuziehen, die mir in dieser Einöde sicherlich gute Dienste geleistet hätten; doch konnte ich den Ekel nicht überwinden und verscharrte die Leiche mitsamt den Kleidern.
    Mit der Pistole kehrte ich zu meinem Baum zurück. Ich aß wieder Weichtiere, trank Wasser aus dem Bach und holte mir ein Brett von der zertrümmerten Schaluppe. Als die Abendsonne sich aufs Meer senkte, kletterte ich auf den Baum. Das Brett legte ich über zwei waagerechte Äste und benutzte es als Ruhestatt.
    Gleich nach Einbruch der Dunkelheit erschien der Mond
    am Himmel, und im Urwald ließen sich wie allnächtlich tausend rätselhafte Geräusche vernehmen.
    Ich schlief im allgemeinen ruhig, vielleicht, weil das Brett mehr Bequemlichkeit bot, vielleicht auch einfach deshalb, weil ich mich an die Unbequemlichkeit gewöhnt hatte. Einmal nur weckte mich ein schrecklicher Traum vom Kapitän. Ganz in Schweiß gebadet, fuhr ich im Schlaf hoch und beruhigte mich erst wieder, als ich völlig wach geworden war. Ich rieb mir die Augen. Dann verloren sich die trügerischen Traumbilder.
    In dieser Nacht weckte mich kein verdächtiges Rascheln unter dem Baum, und als ich morgens den Stamm und die benachbarten Sträucher besah, entdeckte ich keine frischen Spuren von Raubtieren.
    Ich frühstückte wie tags zuvor, und es stellte sich heraus, daß sich die bisherigen Lebensmittelvorräte erschöpft hatten. Ich verzehrte die letzten lebenden Weichtiere aus der Grube — ein Teil von ihnen war inzwischen verendet und ungenießbar geworden — und schlug die letzten beiden Kokosnüsse auf, die auf der Erde lagen. Hoch oben hingen an den Palmen viele Früchte, doch wußte ich im Augenblick nicht, wie ich an dem glatten Stamm zu ihnen

Weitere Kostenlose Bücher