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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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du Sadie zu magischen Zwecken ausgesucht hast?»
    «Quatsch.» Rhonda beugte sich vor und kraulte Sadie am Kopf. «Hier gibt’s keine magischen Kräfte. Nur fehlende Pigmente. Ich hab sie am College vor dem Labor gerettet.»
    Warren warf noch ein Apfelstückchen in den Käfig, stand dann auf und wischte sich die Hände an den Shorts ab. Rhonda merkte plötzlich, dass sie die Härchen auf seinen Beinen betrachtete und sich einen Moment lang fragte, wie es wohl wäre, sanft mit der Hand darüberzustreichen.
    Jetzt bleib mal realistisch
, ermahnte sie sich.
    Rhonda war im College mit Männern ausgegangen. Nicht allzu oft, aber doch oft genug, um zu wissen, dass es unweigerlich enttäuschend endete. Sie waren im Kino gewesen, essen gegangen oder hatten sogar ein bisschen herumgemacht, aber es war nie etwas dabei herausgekommen. Wie nett der junge Mann auch sein mochte, wie aufmerksam er sich ihr gegenüber auch gab und wie viel sie auch gemeinsam hatten, er war nun mal nicht Peter.
    «Möchtest du gerne was trinken?», fragte Rhonda und wandte sich von Warren und seinen Beinen ab. «Ich hab Cola light oder Bier. Oder ich könnte Tee kochen.»
    «Ein Bier wäre toll.» Er folgte ihr durch den Flur in die Küche, blieb aber dann stehen, um die Zeichnungen der sezierten Tiere zu betrachten.
    «Sind die Bilder von dir?», fragte Warren. Er wies auf die Abbildung des Hasen und zeichnete mit seinem Zeigefinger in der Luft die Umrisse der Lunge und des Herzens nach.
    Rhonda nickte.
    «Die sind richtig gut. Ein bisschen komisch ist es ja schon,so was in der eigenen Wohnung aufzuhängen – solche aufgeschnittenen Tiere   –, aber die Zeichnungen sind exzellent. Du bist eine Künstlerin.»
    Rhonda schüttelte den Kopf. «Ich zeichne einfach nur das, was ich sehe. Ein Künstler interpretiert und manipuliert – dafür habe ich weder Phantasie noch Talent.»
    «Ja, und ich filme auch einfach nur das, was ich sehe, und die anderen nennen das Kunst. Alles ist eine Frage des Blickwinkels, Rhonda.»
    Sie zuckte die Schultern und führte ihn in die Küche, wo sie sich mit einem Bier und ein paar etwas muffigen Salzbrezeln, die Rhonda hinten aus dem Vorratsschrank gekramt hatte, hinsetzten.
    «Ich habe über diese Sache mit Peter nachgedacht», begann Rhonda. «Ich finde es unmöglich, dass Pat und Jim ihn rausgeworfen haben. Und wahrscheinlich ist das noch nicht mal legal.»
    Warren nickte. «Wahrscheinlich nicht.»
    «Darum dachte ich, du könntest vielleicht mit den beiden reden. Ihnen klarmachen, dass es nicht besser wird, wenn sie ihn feuern. Eher im Gegenteil. Die Leute betrachten Pat als die zentrale Figur in dieser Ernie-Geschichte – die Medien haben sich viel mehr um sie gekümmert als um Trudy, und über Nacht ist sie praktisch zum Star von Pike’s Crossing geworden. Wenn sie Peter rausschmeißt, halten ihn alle noch viel eher für den Schuldigen.»
    «Ich weiß nicht recht, Rhonda. Jim ist leicht zu nehmen. Aber wenn Pat sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, ist sie störrisch wie ein alter Esel.»
    «Aber du versuchst es?»
    «Okay. Ich versuche es. Wenn du auch was für mich tust.»
    «Nämlich?»
    «Dir Gedanken zu machen, ob Peter vielleicht doch nicht der ist, für den du ihn hältst. Ich behaupte damit nicht, dass er Ernie entführt hat. Aber ich bitte dich, mal objektiv darüber nachzudenken, ob er irgendwie in die Sache verwickelt sein könnte. Vielleicht ist er ein ganz anderer Mensch, als du glaubst.»
    «Ich kenne Peter seit meiner Geburt!»
    «Ich weiß. Das weiß ich ja. Aber jeder hat so seine Geheimnisse.»
    Sie wollte gerade den Mund aufmachen und sagen, dass sie sämtliche Geheimnisse von Peter kannte und er die ihrigen, aber da läutete das Telefon. Sie entschuldigte sich und nahm den schnurlosen Apparat von dem Tischchen in der Diele.
    «Ronnie? Hier ist Tack. Hör mal, Suzy hat mir gerade gesagt, sie hätte heute Nachmittag mit dir über Ernie geredet.»
    «Ja, ein bisschen.» Rhonda marschierte im Flur auf und ab und betrachtete die Zeichnungen.
    «Sie sagt, du hättest sie nach Ernie und dem Hasen gefragt.» Tacks Stimme klang so scharf, dass Rhonda sich innerlich krümmte.
    «Ich hatte mich einfach nur gefragt, ob sie den Hasen auch selbst gesehen hat», erklärte Rhonda. Sie blickte auf ihre eigene Hasenzeichnung, die Schichten von Fell, Haut und Unterhautgewebe, die zurückgeklappt waren, damit man die edelsteinartig leuchtenden Organe sehen konnte.
    Tack stieß die Luft aus, und es zischte

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