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Die Insel der verlorenen Kinder

Die Insel der verlorenen Kinder

Titel: Die Insel der verlorenen Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer McMahon
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dem Geschenk geht er ein Risiko ein, aber sie ist ein vorsichtiges Mädchen. Sie begreift, dass alles, was zwischen ihnen geschieht, ein Geheimnis ist. Das kleine Mädchen drückt den weichen weißen Hasen an die Brust, dreht sich dann um und umarmt Peter. Wenn sie in seine Augen hinter der Maske sehen könnte, würde sie merken, dass er weint.

s?
    12., 13. und 14.   Juni 2006
    Eine Woche nach der Entführung war Ernie noch immer nicht gefunden, und Pike’s Crossing war das reinste Wespennest. Das
Lakeview Lodge
, das
Inn and Out Motel
und die beiden Privatpensionen in der kleinen Stadt waren komplett mit Pressevertretern und ehrenamtlichen Helfern ausgebucht. Das kleine Café in derselben Straße wie
Pat’s Mini Mart
brummte, auch wenn es dort keinen Latte macchiato gab. Die Straßen, Felder und Wälder waren mit Hunden und Hubschraubern und von Pfadfindern, freiwilligen Soldaten und Bürgern durchkämmt worden. Die Polizei suchte den Nickel Lake mit Tauchern sowie Booten und Schleppnetzen ab. In der methodistischen Kirche wurden Kerzenwachen gehalten. Die Leute machten sich zwar Sorgen, weil man bisher keinerlei Spuren gefunden hatte, doch man rief sich immer wieder Ella Starkee in Erinnerung: zehn Tage in einer Erdgrube mit nichts als einer Blechbüchse, Würmern und Käfern. Wunder waren möglich.
    Mit Trudy Florucci an ihrer Seite hielt Pat eine weitere Pressekonferenz ab und teilte mit, dass sie sich der Hilfe einer Rutengängerin versichert habe, die mit einer Weidengabel nach verirrten Kindern und verschwundenen Haustieren suche. Sie stellte Shirley Bowes vor, die so alt war, dass sie Pats Mutter hätte sein können, und zu Rhondas Überraschung wie eine ganz normale Farmersfrau aussah. Sie trug weder einen Turban noch ein langes, fließendes, mit Glöckchen behängtes Gewand. Das einzige Schmuckstück war ein schlichter goldener Ehering. Shirleys Haarwar in Dauerwellen gelegt, und sie hatte die Art praktischer Kleidung an, die viele alte Damen trugen. Sie scharrte ein wenig mit den Füßen und lächelte verlegen in die Kameras.
    «Vielleicht erinnern Sie sich ja», fuhr Pat fort, «dass Shirley vergangenes Jahr ein Kleinkind in einem alten ausgetrockneten Brunnen in Swanton gefunden hat.»
    Rhonda erinnerte sich. Der kleine Junge war in einen tiefen Brunnen gefallen und beinahe vierundzwanzig Stunden in dem Schacht geblieben. Mit Ella Starkee, die in ihrer Grube jedes Zeitgefühl verloren hatte, war das natürlich nicht zu vergleichen. Die hatte die Tage an den zerknautschten Karamellbonbonpapierchen abgezählt. Sie hatte jedes Lied gesungen, das sie kannte. Als alle gesungen waren, redete sie mit Gott.
    «Und er hat mir geantwortet», erzählte sie später den Reportern.
    «Was hat er gesagt?», fragten die Reporter.
    Ella lächelte schüchtern. «Er hat mir Elefantenwitze erzählt.»
    «Elefantenwitze?»
    «Zum Beispiel: Wie merkt man, dass ein Elefant im Kühlschrank war? Schau nach, ob du seine Spuren in der Butter findest.»
    Rhonda konzentrierte sich wieder auf Pats Gespräch mit der Presse.
    «Ernie ist jetzt schon schrecklich lange verschwunden, und wir wissen nicht mehr, was wir tun sollen. Da müssen wir uns Hoffnung da suchen, wo sie zu finden ist», erklärte Pat mit ihrer herzlichen Stimme. Pat, die Chefin. Pat mit ihrem Namensschild, auf dem TANKSTELLENBESITZERINstand, damit allen klar war, wer im Mini Mart das Sagen hatte. Rhonda empfand Pats Begeisterung als ein wenig sonderbar, aber dennoch tröstlich.
    Nur wenn weit und breit keine Kamera zu sehen war, merkte Rhonda manchmal, wie Pat nervös auf und ab ging oder etwas vor sich hin murmelte, und dann bekam sie das Gefühl, dass die Dinge Pat allmählich aus der Hand glitten – dass sie bald so weit war, ihre Niederlage einzugestehen. Den Gedanken, dass Pat sie noch immer als Verdächtige im Visier hatte, empfand Rhonda als grässlich. Und ebenso die Vermutung, dass Warren vielleicht nur aus diesem Grund so viel Zeit mit ihr zugebracht hatte. Ob er sie ebenfalls im Verdacht hatte? Ob er glaubte, sie und Peter hätten sich zusammengetan, um das kleine Mädchen zu entführen?
    «Und noch etwas», erklärte Pat den Reportern. «Bonnie Starkee, die Mutter der kleinen Ella, hat heute Vormittag Trudy angerufen.»
    Ein erregtes Geflüster ging durch den Raum.
    «Was hat Mrs.   Starkee gesagt?», fragte einer der Reporter.
    «Dass sie für Ernie betet. Sie hat Trudy gesagt, dass sie die Hoffnung nicht aufgeben darf. Und jetzt haben wir keine

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