Die Insel der verlorenen Kinder
Nachmittag sollten noch zwei Inspektionen und eine Bremsenreparatur durchgeführt werden: Für beides war Jim, wie siewusste, nicht qualifiziert. Rhonda blätterte die schmierigen Seiten durch und betrachtete die Termine der letzten drei Wochen. Laura Lees Wagen war dreimal in der Werkstatt gewesen. Am 15. Mai hatte Peter eine neue Ölleitung und einen Ölfilter eingebaut. Am 25. Mai war der VW Käfer zum Auswechseln der hinteren Bremsen erneut in der Werkstatt gewesen. Am 1. Juni, letzten Donnerstag also, hatte Peter ein paar Klemmen und Schläuche ersetzt. Außerdem war da noch eine Liste mit Arbeiten, zu denen er noch nicht gekommen war: den Keilriemen ersetzen (dieses Ersatzteil musste bestellt werden) und die Verriegelung der Tür auf der Beifahrerseite reparieren (einer Notiz entnahm Rhonda, dass die Tür laut Laura Lee derzeit nur geschlossen blieb, wenn man den Schlüssel benutzte). Peter hatte Laura Lee wieder für den nächsten Freitag eingetragen, um die Arbeit zu Ende zu bringen. Na ja, jetzt, wo der Wagen von der Polizei sichergestellt worden war, würde sie wohl kaum mehr kommen.
Aber letzten Donnerstag war der Wagen
tatsächlich
in der Werkstatt gewesen – also an jenem Tag, an dem laut Katy der Hase Ernie in seinem Unterseeboot mitgenommen hatte.
Shit.
Rhonda klappte die Kladde zu.
«Machst
du
jetzt unsere Termine?», fragte Jim, der unbemerkt hinter sie getreten war.
«Hm. Oh, nein. Tut mir leid, ich hatte nur mal geschaut. Ich hatte mich gefragt, wann Peter wohl nächstes Mal hier arbeitet.»
Jim nickte grimmig. «Eigentlich sollte er jetzt hier sein.Ich weiß nicht, was mit dem in letzter Zeit los ist. Der kommt scheinbar nur noch, wenn ihm danach ist. So was würde mir auch gefallen.»
«Er hat im Moment wohl seine Sorgen», meinte sie.
«Das ist keine Entschuldigung.»
«Nein, natürlich nicht», antwortete Rhonda. «Aber jetzt muss ich wieder ans Telefon.»
Auf dem kurzen Rückweg zu den Tischen in der Ecke beschloss Rhonda, Warren den Eintrag für Laura Lees Wagen im Terminkalender zu verschweigen. Auch wenn ihr das nicht passte, schien alles auf Peter hinzudeuten, und es würde nicht einfach werden, seine Unschuld zu beweisen. Sie brauchte noch mehr Anhaltspunkte. Im Vorbeigehen schaute Rhonda in Pats Büro – es war keiner da. Sie trat ein und warf einen Blick auf das Klemmbrett an der Wand neben dem Schreibtisch: Dort waren die Arbeitszeiten der Angestellten eingetragen. Sie blätterte zur Vorwoche zurück und sah, dass jemand namens Carl Pat am Donnerstag zur Hand gegangen war. Und außerdem war Peter eingetragen. Wenn Peter länger mit Laura Lees Wagen weggefahren wäre, hätte das ja jemandem auffallen müssen. Sie konnte Pat nicht gut fragen, denn die würde so etwas als einen weiteren Beweis für Peters – und vielleicht auch Rhondas – Verstrickung in den Fall betrachten. Das wiederum hieß, dass Rhonda diesen Carl finden musste. Sie sah, dass er im Laufe der Woche noch einmal im Arbeitsplan eingetragen war. Wunderbar.
Rhonda verließ rasch das Büro und eilte durch den Gang – und da war er: der berüchtigte Hauptverdächtige.
«Hi, Ronnie», rief Peter.
Er stand neben Warren und hatte sich den Pony aus der Stirn gestrichen, damit man seine Narbe sehen konnte. Warren hatte Laura Lees Hinweis offensichtlich nicht vergessen und sich danach erkundigt. Neben Peter stand Suzy, die ein Batik-Shirt und von Hand gekürzte Shorts trug. Rhonda blickte sich rasch im Laden um: Tack war nicht da. Sie ging eilig zu den beiden hinüber.
«Tante Rhonda!», sagte Suzy. «Daddy sagt, ich darf Sadie bald wiedersehen.»
«Natürlich», antwortete Rhonda. «Jederzeit.»
«Darf ich ihr ein paar Äpfel mitbringen?»
«Aber sicher, Herzchen. Die mag sie.»
«Ach, du hast ein Pferd oder so was?», fragte Warren.
Rhonda und Suzy kicherten.
«Ein Schwein», erzählte Suzy.
Warren wirkte entsetzt.
«Ein Meerschweinchen», klärte Rhonda ihn auf.
«He, Ronnie, kannst du mal kurz Suzy im Auge behalten?», bat Peter. «Ich muss was mit Pat und Jim klären. Tack und ich, wir haben bei uns ein Terminchaos angerichtet, und jetzt habe ich Suzy den ganzen Tag. Ich musste sie heute Vormittag zum Arzt bringen.»
«Ich hatte wieder so ein Gewitter», sagte Suzy.
«Sie haben schon wieder die Medikamente geändert. Die spinnen, die Ärzte. Man sollte doch meinen, die müssten wissen, was ihr hilft. Das ist Suzys dritter Anfall diese Woche.» Währenddessen ging Peter schon quer durch
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