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Die Insel des Dr. Moreau

Die Insel des Dr. Moreau

Titel: Die Insel des Dr. Moreau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H. G. Wells
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unsauber. Ein noch junger Mann mit Flachshaar, einem borstigen, strohfarbenen Schnurrbart und hängender Unterlippe saß bei mir und hielt mein Handgelenk. Eine Minute lang blickten wir einander an, ohne zu sprechen. Er hatte wäßrige, graue, merkwürdig ausdruckslose Augen.
    Dann hörte ich genau über uns ein Geräusch, wie wenn eine eiserne Bettstelle umhergeworfen würde, und dann das leise, wütende Knurren eines großen Tieres. Zugleich sprach der Mann wieder.
    Er wiederholte seine Frage: »Wie fühlen Sie sich?«
    Ich glaube, ich sagte, daß ich mich ganz wohl fühlte. Ich konnte mich nicht besinnen, wie ich hierhergekommen war. Er muß mir die Frage vom Gesicht abgelesen haben, denn ich selbst brachte kein Wort hervor.
    »Sie wurden in einem Boot gefunden - am Verhungern. Auf dem Boot stand der Name Lady Vain , und auf dem Bordrand waren Blutflecken.« Zu gleicher Zeit fiel mein Blick auf meine Hand: Sie war so dünn, daß sie wie ein schlaffer Hautsack voll loser Knochen aussah, und die ganze Sache mit dem Boot fiel mir wieder ein.
    »Nehmen Sie hiervon«, sagte er und gab mir etwas von einem gefrorenen roten Zeug.
    Es schmeckte wie Blut, aber es schien mich zu stärken.
    »Sie haben Glück gehabt«, sagte er, »daß Sie von einem Schiff mit einem Arzt an Bord aufgenommen wurden.« Er lallte ein wenig und sprach mit einem leichten Lispeln.
    »Was für ein Schiff ist das hier?« fragte ich langsam, von meinem langen Schweigen heiser.
    »Es ist ein kleiner Kauffahrer von Arica und Callao. Ich habe nicht gefragt, woher es ursprünglich gekommen ist. Aus dem Land der Narren vermutlich. Ich selber bin Passagier von Arica. Der Esel, dem es gehört - er ist zugleich Kapitän und heißt Davis -, hat sein Patent verloren oder so was. Sie kennen den Menschenschlag - nennt das Ding Ipecacuanha . Freilich, wenn viel See ist und kein Wind, da läuft es ganz ordentlich.«
    Da begann oben der Lärm von neuem: ein knurrendes Brummen und zugleich die Stimme eines menschlichen Wesens. Dann befahl eine andere Stimme einem »gottverlassenen Idioten«, er solle aufhören.
    »Sie waren fast tot«, sagte mein Gegenüber. »Es hing wirklich an einem Haar. Aber ich habe Ihnen einiges eingegeben. Sehen Sie die Einstiche am Arm? Injektionen. Sie sind seit fast dreißig Stunden ohnmächtig gewesen.«
    Ich kam nur langsam zu mir. Jetzt lenkte mich das Bellen einer Hundemeute ab. »Kann ich feste Nahrung zu mir nehmen?« fragte ich.
    »Und mir haben Sie’s zu verdanken«, sagte er. »Das Hammelfleisch kocht schon.«
    »Ja«, sagte ich mit Zuversicht, »ich könnte ein wenig Hammelfleisch essen.«
    »Aber«, sagte er mit einem leichten Zögern, »wissen Sie, ich möchte um mein Leben gern erfahren, wie es kam, daß Sie allein in dem Boot waren.« Ich glaubte in seinen Augen einen gewissen Verdacht zu entdecken.
    »Dieses verdammte Geheul!«
    Er verließ die Kabine plötzlich, und ich hörte ihn heftig mit jemandem schelten, der ihm in Rotwelsch zu antworten schien. Es klang, als endete die Sache mit Schlägen, aber darin, glaube ich, täuschten sich meine Ohren. Dann rief er den Hunden zu und kam in die Kabine zurück.
    »Nun?« fragte er in der Tür. »Sie wollten gerade anfangen, mir alles zu erzählen.«
    Ich nannte ihm meinen Namen, Edward Prendick, und legte ihm dar, wie ich mich auf die Naturwissenschaft verlegt hatte, um die Langeweile meiner behaglichen Unabhängigkeit loszuwerden. Das schien ihn zu interessieren. »Ich habe selber ein wenig Naturwissenschaft getrieben - habe meine Biologie auf der Universität gemacht, dem Regenwurm den Eierstock rausgeholt und der Schnecke die Radula und all das. Himmel! Es sind zehn Jahre her. Aber fahren Sie fort, fahren Sie fort - erzählen Sie mir von dem Boot.«
    Er war offenbar bezüglich der Aufrichtigkeit meiner Erzählung befriedigt, obgleich ich in knappen Sätzen berichtete - denn ich fühlte mich furchtbar schwach -, und als sie zu Ende war, kam er sofort auf das Thema der Naturwissenschaft und seine eigenen biologischen Studien zurück. Er begann mich genau nach der Tottenham Court Road und der Gower Street zu befragen. »Existiert Cablatzi noch? Was für ein Laden das war!« Er war offenbar ein sehr durchschnittlicher Student der Medizin gewesen, und unaufhaltsam steuerte er das Thema Vergnügungslokale an. Er erzählte mir ein paar Anekdoten. »Alles aufgegeben«, sagte er. »Vor zehn Jahren. Was für ein lustiges Leben! Aber ich habe einen Esel aus mir gemacht ... Hab’ mir

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