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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Boden, hob aber den Kopf so weit, daß ich über die Felskante spähen konnte.
    Noch mehr Wunder! Deine Brüste waren gerundet, weich wie reife Früchte, die Spitzen keck vorgeschoben wie die Nasen junger Kaninchen. Und unter deinem schönen goldenen Bauch wuchs genauso ein Büschelchen brauner Haare wie in den Höhlen unter deinen Armen… aber sonst nichts, wo deine Beine zusammenkamen, ein Mangel, der mich mit Mitleid und auch ein wenig mit Furcht erfüllte. Eine ganze Weile überlegte ich, ob der große Unterschied in unserem Körperbau womöglich ein weiterer Beweis für die Verschiedenheit von meinem und deinem Schlag war.
    Als wollte es mich an diese Verschiedenheit gemahnen, fühlte ich, wie mein gegen den Boden drückendes Fleisch plötzlich steif wurde. Der Hunger setzte wieder ein, doch es war kein Hunger des Magens, er erfaßte vielmehr sämtliche Körperteile, war in meinen Augen und meinen zuckenden Fingerspitzen genauso stark wie an anderen Stellen, am allerstärksten jedoch in dem warmen Gewicht im Schritt, das an den Stoff meiner Kniehosen scheuerte.
    Während du dein Bad beendetest, lag ich hilflos und verzweifelt da, verzehrt von einer unbegreiflichen Glut, voll widerstreitender Gedanken, die wirr aufeinander eindroschen wie Armeen mit verbundenen Augen. Schließlich zogst du dich an und gingst fort, ich aber blieb weiter auf dem Bauch liegen wie vom Blitz getroffen.
    Als ich zum Haus zurückkam, ging schon die Sonne unter. Vor lauter innerem Aufruhr hatte ich ganz vergessen, Prosperos Blätter zu pflücken. Er bekam einen Wutanfall und schrie mich an, nannte mich ein dummes, undankbares Tier und andere Sachen, brüllte, ich habe ihm die Arbeit eines ganzen Tages zunichte gemacht, ich sei auch nicht das kleinste Nu der Zeit wert, die er an meine Erziehung verschwendet habe. Ich ließ das alles mit gesenktem Haupt über mich ergehen, aber ein Teil von mir kochte vor Zorn darüber, solche Schmähungen von ihm erdulden zu müssen. Du zogst dich auf dein Zimmer zurück, vielleicht weil du dich schämtest, daß er mich mit solchen Schimpfnamen belegte, vielleicht auch einfach nur, weil du das Schreien nicht hören wolltest.
    Für mein Verbrechen wurde ich in jener Nacht zum Schlafen nach draußen geschickt und bekam nichts zu essen, doch diese Strafen machten mir weniger aus als nichts, litt ich doch viel vertracktere, viel tiefergehende Qualen.

Ein geborstener Baum
     
     
     
    Nachdem ich dich im Bade überrascht hatte, veränderten sich den langen Rest des Jahres über die Beziehungen von uns allen weiter – zum Schlechten, von meinem Standpunkt aus.
    Prospero gab sich immer weniger den Anschein, mich als einen Menschen oder gar einen Familienangehörigen zu behandeln. Zwar brach seine vorherige Freundlichkeit gelegentlich noch einmal durch, aber viel öfter erlebte ich seinen Zorn, und meistens bekam ich nur kalte Gleichgültigkeit zu spüren. Solange ich tat, was er mir auftrug, durfte ich in meinem kleinen Raum abseits von euch beiden schlafen und gemeinsame Mahlzeiten mit euch einnehmen. Doch auch wenn ich dabeisaß, unterhielt er sich fast ausschließlich mit dir, seiner Tochter.
    Mir ist bewußt, daß bei deinem Volk die Leute, die euch dienen, kaum mehr gelten als ein Tisch oder ein Stuhl, daß Geheimnisse unbesorgt vor ihnen ausgeplaudert werden, da ihr sie nicht als vollwertige Menschen anseht. Ich habe diese eisige Behandlung erlebt, und ich weiß, wie sehr sie einem an der Seele nagt. Selbst du fingst an, wenn auch vielleicht unbewußt, die Art nachzuahmen, wie dein Vater mit mir umsprang. Einmal sagtest du mir, ich solle dir dein Nähzeug bringen. Das war ein Befehl, keine Bitte! Ich tat wie geheißen, doch hinterher floh ich in das Wäldchen hinter dem Haus, außer Hörweite, und schluchzte mir fast die Seele aus dem Leibe.
    Du aber merktest nicht, was du tatest, und fuhrst im großen und ganzen fort, mich als Freund zu behandeln, was ein Balsam war, der die meisten Schmerzen linderte, die mir dein Vater zufügte. Doch deine bloße Nähe brachte bestimmte andere seelische Leiden mit sich, die durch nichts zu heilen waren. Die Unschuld, mit der ich dich anfangs liebte, war dahin, auch wenn ich paradoxerweise immer noch zu unschuldig war, um die vorgefallene Veränderung benennen zu können. Ich träumte von dir, wie ich dich im Becken beim Baden gesehen hatte, oder schwelgte in Erinnerungen an andere Blicke, die ich in unbewachten Momenten heimlich auf dich geworfen hatte, denn mein

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