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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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seinem Laboratorium gestürmt und befahl mir, dies oder jenes zu bringen, einen schweren Stein, eine Kelle Wasser. Durch den Dunst sah ich drinnen die roten Augen kleiner Feuer auf dem Tisch brennen.
    Beim dritten oder vierten Aufknallen der Tür wies er mich an, ihm ein Bündel Blätter von einem bestimmten gelbblühenden Baum holen zu gehen, von denen es nur wenige auf der Insel gab.
    Ich sollte Miranda schicken, denn sie hat flinkere Hände, grummelte er, aber sie hat sich einfach davongemacht. Fluch über das Mädchen, das seinem Vater nicht hilft, der ihm Leben und Freiheit geschenkt hat! Geh, mein Wilder, und besorge mir die Blätter!
    Ungestüm mit den Armen fuchtelnd, so daß seine Ärmel wallten wie der Rauch, stürmte er in sein Laboratorium zurück und zog die Tür hinter sich zu. Woran er auch laborieren mochte, es schien nicht gut voranzugehen. In den Wochen davor hatte sich seine Laune zunehmend verschlechtert.
    Beeil dich! schrie er von innen. Die Mischung ist fast fertig, und ich muß noch den Ofen anfeuern!
    Leise vor mich hinmurrend, weil es mich immer mehr Überwindung kostete, seinen Leibeigenen zu spielen, ging ich los.
    Es war früh am Nachmittag und ein heißer Tag. Wie bei einem Auftrag zu erwarten, der anscheinend so dringend war, suchte ich vergebens nach den Blättern: Ich eilte kreuz und quer durch die blühenden Haine am Hang um das Haus herum, fand aber keinen der Bäume mit den gelben Blüten. Bevor eine Stunde vergangen war, war ich völlig in Schweiß aufgelöst und müde obendrein, aber ich hatte das sichere Gefühl, daß ich lieber gar nicht zurückkehren sollte als mit leeren Händen. Also guckte ich mich weiter unten um und schlug mich durch das dichte Gestrüpp. Ich stieß auf einen der Bäche, die von den Bergen kamen, und machte kurz Rast, um mir das Gesicht zu benetzen und etwas Wasser zu trinken, dann folgte ich dem Verlauf des Baches talwärts. Ich erinnerte mich dunkel, daß ich weiter unten, wo das Wasser über eine Steilwand in ein Becken fiel, früher einmal ein kleines Gehölz mit den Bäumen gesehen hatte, deren Blätter Prospero haben wollte. Der Marsch dorthin dauerte länger, als ich gehofft hatte, aber an allen näher gelegenen Plätzen, die in Frage kamen, hatte ich schon geschaut.
    Vögel kreischten laut und schrill in dem Laubdach über meinem Kopf, und der Wasserlauf war nur geringfügig leiser. Die feuchte Luft und der Dunst auf meinem Gesicht brachten mir noch deutlicher zu Bewußtsein, wie zuwider mir die heißen Dämpfe in Prosperos Haus mittlerweile geworden waren. Wenn ich die Blätter gefunden und abgeliefert hatte, dachte ich mir, wollte ich einen Vorwand erfinden, um hierher zurückzukehren, damit ich eine Weile allein sein und die Einsamkeit genießen konnte.
    Plötzlich, als das Gelände unter meinen Füßen abschüssiger wurde und der Wasserfall sich ankündigte, hörte ich jemanden singen. Ich blieb stehen und lauschte, und obwohl ich die Stimme so gut kannte wie meine eigene, überlief mich vor Wonne über ihre Süße ein Schauder nach dem anderen.
    So, so, sagte ich mir nach einer Weile, Miranda wollte auch gern ihrem Water entfliehen und hat sich genau die Stelle ausgesucht, die mich angelockt hat. Ich werde sie überraschen, und dann werden wir zusammen über unser Bummelantentum lachen.
    Ich bewegte mich an der Felskante entlang, über die der Bach sich ergoß, und hörte dabei weiter dein fröhliches Lied. Als ich vom höchsten Punkt ungefähr fünfzig Schritte nach unten gegangen war, hatte ich schließlich einen Blick auf das Becken, in dem das stürzende Wasser schäumte. An seinem Rand stand eine Gruppe der golden blühenden Bäume mit den dazugehörigen spitzzackigen, dunkelgrünen Blättern. Doch obwohl die Bäume eigentlich das Ziel meiner Suche waren, galten sie mir mit einemmal nichts.
    Ich konnte nur überwältigt starren, während mir die Zunge am Gaumen klebte und der scherzhafte Schrei, den ich ausstoßen wollte, in der Kehle steckenblieb. Du standest knietief in dem Becken unter dem Wasserfall, Miranda, nackt und schön und herrlich wie eine himmlische Erscheinung.
     
     
    Ich sehe dich das Gesicht verziehen, sehe deine Lippen sich kräuseln, um mir ein Schimpfwort entgegenzuschleudern, aber du tust mir Unrecht. Ich wollte dich nicht heimlich belauschen, hatte nichts im Sinn, als meine Freundin zu überraschen. Und was die Gedanken anbelangt, die mir plötzlich durch den Kopf wirbelten und die jetzt deine Wangen erröten

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