Die Insel des Magiers
waren kalt wie Steine auf dem Meeresgrund, doch seine Stimme war ganz ruhig und vernünftig. Miranda wird jetzt eine junge Dame und muß sich zurückziehen können. In unseren Häusern in Mailand ist das so. Und ich brauche meine Ellbogenfreiheit, Ich muß über viele Dinge nachdenken. Der Raum, den ich dir gegeben habe, gehört dir allein, und du kannst damit machen, was du willst. Von mir aus richte ihn mit Fetischen oder Erinnerungsstücken ein, die dir etwas bedeuten. Baue dem Setebos, dem Gott deiner Mutter, einen Altar, wenn du magst. Mehr kannst du nicht verlangen.
Aber, dachte ich – und schon die Bitterkeit des unausgesprochenen Gedankens kam mir wie Auflehnung vor – wie kannst du mir einen einzigen Raum in dem Haus geben, das ich gebaut habe?
Die Worte, anfangs meine geliebten neuen Freunde, begannen bereits, ein anderes Gesicht zu zeigen.
Doch ich äußerte nichts davon. Setebos bedeutete mir nichts – und meiner Mutter genausowenig, soviel ich weiß –, und so ließ ich es dabei bewenden, mein Zimmer mit meiner Sammlung bunter Steine und abgestreifter Schlangenhäute auszustatten. Nur hin und wieder nagte der quälende Gedanke an mir, daß ich vor nicht allzu langer Zeit über eine ganze Insel geherrscht hatte, jetzt aber mein Besitztum auf eine kleine Zelle am Rande von Prosperos Haus geschrumpft war.
Eine kleine Zelle… und ein verborgenes Tal. Denn diesen Ort suchte ich von Zeit zu Zeit immer noch auf und hatte ich selbst vor der habgierigen Neugier deines Vaters geheimgehalten. Ach, wäre er doch ein Geheimnis geblieben!
Die Wespen hatten ihre Arbeit beendet: Das Nest, ein graues Gebilde, das aus Pergament zu sein schien, hing in den Ästen der alten Fichte wie eine einzelne Träne an einer langen Wimper. Es war niedrig genug, daß ich mich an den Baumstamm setzen und den Wespen dabei zusehen konnte, wie sie ein- und ausflogen und außen daran herumkrabbelten, als wäre es die ganze Welt.
Beim Krabbeln summten sie, und dieser Ton war manchmal einlullend, dann wieder klang er bedrohlich. Doch da sie nicht auf mich losgingen und sich auch sonst nicht feindlich gegen mich verhielten, gewöhnte ich mir an, sie nicht weiter zu beachten, obwohl ich einmal das seltsame Gefühl hatte, in dem allgemeinen Gebrumme eine Stimme zu hören, so wie ich in den nächtlichen Geräuschen das Lied meiner Mutter gehört hatte, als ich betrunken gewesen war.
Und während die Wespen summten, redete ich, sprach einfach mit der Luft oder vielleicht mit der Fichte oder meiner toten Mutter. Ich suchte nach Worten, die meine Sehnsüchte ausdrückten, ich beklagte, was ich verloren hatte, manchmal sprach ich sogar mit dir, Miranda, und erprobte, wie sich die Sachen anhörten, die ich dir gern gesagt hätte, aber mich nicht zu sagen traute. Ich war verliebt, gewiß, aber das war höchstens zwischendurch einmal ein glückliches Gefühl. Bei aller Freude, die mir deine Nähe bereitete, bewirkte sie doch auch, daß ich mich roh und dumm fühlte. Zu viele Male hatte ich versucht, etwas Mutiges oder Kluges zu tun, und mich statt dessen bloß zum Narren gemacht. Wenn ich daher manchen Tags unter dem alten Baum saß, sprach ich nicht nur Worte vor mich hin, die ich dir gern gesagt hätte oder von denen ich sogar träumte, daß du sie irgendwann einmal zu mir sagen würdest, nein, nicht minder oft schimpfte ich mich auch mit einer Heftigkeit aus, die der von Prospero in nichts nachstand. Ich griff mein Lied aus der Festnacht auf und hängte ein spöttisches Ende daran.
Ban! Ban! Kaliban!
Meint er war ein Menschenmann!
Ich sang und stammelte zum Himmel. Die Fichte nickte über mir dazu, wenn der Wind flüsternd durch die Zweige strich. Die emsigen Wespen brummten in ihrem grauen Pergamenthaus.
Ha! Ich sehe, daß du zur Schlafzimmertür schaust, Miranda! Ich höre, was auch du hörst, aber ich muß dir sagen, daß es nur das Knarren des Gebälks ist, nicht der Schritt eines Retters. Auf jeden Fall wäre meine Hand augenblicklich an deiner weißen Kehle. Ich habe mein Vorgehen gut geplant: Mir bleibt Zeit genug, alles zu tun, was getan werden muß. Zeit genug. Jetzt komme ich zum Kern deines rabenschwarzen Verrats, da zweifle ich nicht, daß du dir eine Störung wünschst, und koste sie dich auch das Leben. Hör jetzt zu!
Es war einer der Tage, an denen dein Vater sich mit irgendeiner schwierigen Arbeit abmühte, und das ganze Haus stank danach. Ab und zu kam er begleitet von einer Wolke übelriechenden Qualms aus
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