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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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sauget! Wespen, stecht!
    Alles macht mir plangerecht.
    Fische drunt im Meeresreich,
    Sucht mir die versunkne Leich!
    Stich, du Biene! Wespe, beiß,
    Bis ich Teil desselben heiß.
    Vögel, gelb im Aug wie Gift
     jagt das Echo durch die Luft…!
     
    Stöhnend und mich blutig kratzend wankte ich hinter ihm her.
     
     
    Prospero saß vor dem Haus und hatte etwas in den Händen. Nach Atem ringend brach ich vor ihm zusammen. Das Stechen wurde schwächer, und das Reißen in den Eingeweiden legte sich, doch ich war zu zerschlagen, als daß ich mich hätte rühren oder gar einen Versuch unternehmen können, meinem Peiniger zu entfliehen oder auf ihn loszugehen.
    Ich habe zuviel von dir erwartet, grollte Prospero. Mit schmerzverzogenem Gesicht hob ich langsam den Kopf, bis ich seine kalten Augen sah.
    Ich habe dir kein Leid getan…
    Leid? Er stieß die Luft zu einem kurzen Lachen aus. Ich sah, wie Ariel sich an ihm vorbei auf das Dach schwang, wo er sich mit übergeschlagenen Beinen hinsetzte und zuschaute. Daß du überhaupt noch am Leben bist, hast du nur der Fürsprache meiner Tochter zu verdanken. Ich habe sie zuviel Güte gelehrt, so wie ich dich zuviel Stolz gelehrt habe.
    Während er sprach, erblickte ich das Gesicht seiner Tochter im Fenster – dein Gesicht. Du sahst blaß und ängstlich aus, doch das wunderte mich nicht. Ich konnte mir unschwer vorstellen, was du vor dir sehen mußtest, den Greuel, der ich geworden war, verkrüppelt durch die Schläge deines Vaters, über und über mit Schmutz und verkrustetem Blut bedeckt.
    Ich stehe nicht so tief, wie du denkst, knurrte ich. Und ich bin auch nicht nur das, was du aus mir gemacht hast …
    Schweig! Prospero stand auf. Ich nenne dich einen Unbelehrbaren, aber du darfst mir gern das Gegenteil beweisen. Es gibt Arbeit für dich. Ariel ist mir zu wertvoll, als daß ich ihn ohne Not für niedrige Dienste einspannen wollte, und…
    Und die Zeit meiner Dienstbarkeit ist begrenzt, erscholl die triumphierende Stimme vom Dach.
    … Und ich habe eine wichtigere Aufgabe für Ariel, fuhr Prospero mit einem scharfen Blick zum Dach fort, die Wiedergutmachung eines lange ungesühnt gebliebenen Unrechts. Du darfst also am Leben bleiben und mir begleichen, was du mir schuldest.
    Was ich dir schulde? ächzte ich. Dir? Dies hier war meine Insel. Ich lebte hier als König.
    Du lebtest hier als wildes Tier. Ich versuchte das zu ändern. Das ist mir nicht gelungen.
    Ich war deiner Tochter ein Freund, du Verfluchter, ein wahrer Freund!
    Prospero erwiderte nichts, aber nickte mit einer Miene, als ließe ich ihm leider keine Wahl. Im nächsten Augenblick wurde ich wieder von furchtbaren Schmerzen gemartert, bis ich mich heulend am Boden wand.
    Ein wahrer Freund? sagte er schließlich. Meiner reinen Miranda ein wahrer Freund? Schau her, du Tier! Schau her!
    Da ich wußte, daß die Folter wieder beginnen würde, wenn ich nicht gehorchte, tat ich wie geheißen. Er streckte die Hand aus und zeigte mir, was er die ganze Zeit darin gehalten hatte. Es war eine Puppe, die vollendet aus weißem Ton geformte Figur eines jungen Mädchens mit einem Schopf goldbrauner Haare. Prospero stellte sie hin und besprenkelte sie mit etwas. Sie fing sogleich zierlich zu tanzen an.
    Ein schönes Geschöpf, nicht wahr? Sein Gesicht strafte seine sanften Worte Lügen. Und jetzt werden wir ihr einen Freund machen… aber diese Insel bietet nur minderwertiges Material.
    Mit diesen Worten beugte er sich abermals vor, kratzte eine Handvoll lehmige Erde zusammen und knetete daraus ein grob menschenähnliches Gebilde, einen plumpen, unförmigen Kloß mit krummen Armen und Beinen. Als er es mit dem Pulver besprenkelt und hingestellt hatte, schleifte es sich hinter der kleinen Tänzerin her, wobei es eine Schleim- und Krümelspur hinterließ. Die weibliche Puppe hielt einen Augenblick wie beobachtend inne. Der Erdkloß buckelte auf sie zu und führte dann seinerseits einen tapsigen Tanz auf. Bei jedem Schritt gab es ein glucksendes Geräusch.
    Gut, gut! Ein unmenschliches Gegacker tönte vom Dach herunter. Ich habe gehört, du tanzt, Kaliban. Eine kleine Probe deiner Eleganz habe ich ja schon auf dem Weg hierher bekommen.
    Siehst du? Prospero hatte den geduldigen Ton eines Lehrers angenommen, der für einen dummen Schüler etwas wiederholen muß. Ich habe versucht, einen Menschen daraus zu machen, doch der Lehm hier taugt nicht dazu.
    Der Kloß hörte nun auf zu tanzen, hinkte auf die andere Puppe zu und umschlang sie

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