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Die Insel des Magiers

Die Insel des Magiers

Titel: Die Insel des Magiers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tad Williams
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Kopf.
    ADAMMMMS… KINNNNDERRRR.
    Du schriest auf, Miranda, und das mit gutem Grund. Ich weiß nicht mehr, was ich tat oder sagte. Die Stimme, die da durch das Tal dröhnte, war das Brummen des Wespenschwarms, aber lauter als jede Stimme eines sterblichen Wesens, die Worte verständlich und dennoch grauenhaft insektenartig.
    Adammmskinnnderrr, ließ sich die Stimme aufs neue vernehmen, leiser und menschenähnlicher diesmal. Ängstlich blickte ich auf. Der Vogel hockte auf der grauen Kugel des Nests und starrte uns an. Das Eichhörnchen saß auf einem niedrigeren Ast, die Pinselohren aufgestellt. Habt keine Furrrchhht… Euchhh drrroht keine Gefahrrr…
    Was… wer bist du? Wer spricht da? riefst du und hieltest dir dabei die Hände vor die Brüste, ein Inbild erschrockener Scham vor einem Eichhörnchen und einem Vogel. Ich war bestürzt und völlig durcheinander. Was war aus meinem Freudentag geworden, aus meiner Liebe, meinem geheimen Tal?
    Ich binn imm Baummm gefanngennn. Wenn die Stimme sprach, zitterte das Wespennest bei jedem Wort. Ihre Redeweise wurde rasch weniger unnatürlich, so als lernte sie mit jeder Äußerung dazu. Ich bin gefangenn. Helft mirr!
    Bevor ich dich aufhalten konnte, Miranda, warst du aufgesprungen. Ich krabbelte hinter dir her wie ein Tier, zu benommen, um ans Aufstehen zu denken.
    Sag deinem Vater nichts davon! schrie ich. Er kann uns nichts tun. Es ist mein Geheimnis… unser Geheimnis. Komm zurück! Miranda!
    Du aber ranntest nur immer weiter talaufwärts. Hin- und hergerissen stockte ich, dann eilte ich hinter dir her und überließ den Baum sich selbst oder das Nest oder was sonst immer noch dort im Wiesengrund klagte.
    Ich holte dich an der Hecke ein und wollte deine Hand nehmen, du aber fuhrst herum, die Augen vor Zorn oder Furcht oder beidem rollend, und gabst mir einen solchen Stoß vor die Brust, daß ich in die Dornen fiel. Es dauerte lange, bis ich mich unter Schmerzen herausgewunden hatte, und hinterher war ich am ganzen Leib von blutigen Schrammen bedeckt. Die Sonne war schon am Untergehen, als ich endlich zum Haus zurückhumpelte.
    Du warst nirgends zu finden, doch die Tür zu Prosperos Zimmer war verschlossen.
     
     
    Alles Leid, das ich bis dahin erduldet hatte, war nichts gegen das, was nun kommen sollte. Und du warst es, Miranda, der ich nie etwas Böses getan hatte, für die ich nur Liebe und Bewunderung empfand, du warst es, die mich in die Falle stieß und dann den Stein auf mich kippte.
    Wenn du deinem Vater nur von der mysteriösen Stimme erzählt hättest, wäre es schon schlimm genug gewesen, aber du erzähltest ihm noch viel mehr, genug, um sein Herz für alle Zeit gegen mich einzunehmen. Vielleicht tatest du es aus Schuldgefühl, weil du von seiner Seite gewichen warst, oder aus Scham, um dein schmutziges und zerrissenes Kleid zu erklären, denn beim Lauf zurück durch die Dornen hattest du nicht so gut aufgepaßt. Vielleicht war es auch die Furcht vor etwas Tieferem, vor etwas in deinem eigenen Blut, das von meinen tastenden Fingern geweckt worden war. Was dich auch trieb, du tatest, was du nicht hättest tun sollen: Du machtest mich zum Sündenbock.
    Ungeachtet seiner Krankheit kam dein Vater an jenem Abend fuchsteufelswild aus seinem Zimmer gestürmt, und seine Wut war von so schrecklicher Gewalt wie ein Wirbelsturm. Bevor ich ein Wort der Erklärung über die Lippen bringen konnte, versetzte er mir mit seinem Stab einen Hieb auf den Rücken, der mich zu Boden streckte. Dieser Stab war mehr als bloß ein Spazierstock. Dein Vater hatte ihn mit vielen seiner Zaubersprüche aufgeladen und mit Talismanen behängt, und überdies hatte er ihn mit etlichen seiner geheimen Tinkturen behandelt und poliert, bis er hart wie Stein war.
    Ohne abzulassen, prügelte er mich fast zu Tode, drosch mir, der ich zusammengekrümmt am Boden lag, auf Kopf und Glieder und Rippen und geiferte unterdessen, ich hätte versucht, seine Tochter zu entehren, ich sei ein verabscheuungswürdiges Vieh, der Himmel würde es ihm danken, wenn er mich ausweidete wie ein geschlachtetes Wild und mich über dem Feuer aufhängte.
    Ich wünschte beinahe, er würde mich wirklich töten, das hätte wenigstens meinen Leiden ein rasches Ende bereitet. So rettete mich nur, daß ich hastig zur Tür robbte, als er, vor Erschöpfung keuchend, kurz einmal innehielt. Aus den neuen Wunden ebenso wie aus den Dornenstichen von vorher blutend, mit gebrochenen Knochen, die in mir knirschten wie zersprungenes

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