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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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Verfolger gefunden hatten.
    Noria und Paulas Blicke trafen sich.
    Noria atmete so heftig, dass Paula ihr unwillkürlich die Hand auf den Arm legte, um sie zu beruhigen, aber Noria schüttelte sie ab.
    »Es ist doch nur ein Drongo«, versuchte sie Norias Aufregung zu mäßigen, obwohl ihr der Vogel auch unheimlich war. »Ich wusste nicht, dass er Menschen so gut imitieren kann.«
    »Nein, das ist nicht nur ein Vogel, das ist der Geist von Lázló. Seine Seele ist in diesen Drongo gefahren, um uns zu besuchen.«
    Paula schluckte. Das war natürlich Unsinn. Vollkommener und kompletter Unsinn. Ein Wort mit u. Sie versuchte sich daran zu erinnern, was Lázló gestammelt hatte, als er im Sterben lag: »Niemand sollte den Drongo, Fady.« Aber auch: »alle Lügner« und dann, »lieben Sie«. Sollte sie Noria davon erzählen?
    »Singen Sie noch einmal«, bat Noria und nickte ihr auffordernd zu. Der Gedanke, dass nur Lázlós Körper in dem goldenen Netz zurückgeblieben war, während sein Geist hier bei ihnen war und in den Bäumen munter trällerte, war tröstlich. Unsinn, beharrte ihre innere Stimme, das ist genauso verlogen wie die christlichen Vorstellungen von Auferstehung, Himmel und Hölle. Trotzdem begann sie wieder zu singen, und der Drongo wiederholte ihre Worte, traf jeden Ton, als wäre er wirklich ein Mensch. Unsinn, Unsinn, wisperte die Stimme, aber dann tauchten die lapislazuli blauen Schmetterlinge in ihrer Erinnerung auf und brachten die Stimme endlich zum Schweigen. Sie schloss ihre Augen und konzentrierte sich auf ihr Duett mit dem Drongo, und erst als sie beide fertig waren, öffnete sie ihre Augen und schaute zu Noria hinüber.
    Norias Gesicht wirkte wie eine steinerne Maske, aber aus ihren Augen tropften Tränen.
    Alles war still, Paula hörte nur ihre Atemzüge, keine Insek ten, keine Vögel, kein Rascheln, kein Wasser, nichts, nur ihrer beider Atem.
    »Es …«, begann Noria, und Paula hatte den Eindruck, dass sie mit sich rang und sie ihr etwas anvertrauen wollte.
    Da krächzte der Drongo und flatterte davon.
    Noria verstummte, wischte sich resolut die Tränen vom Gesicht und bückte sich nach den Raffiabastbündeln. Sie packte die Pakete auf ihren Kopf, ließ Paula stehen und lief kommentarlos zurück zum Fluss.
    Paula sah ihr nach. Egal, dachte sie, egal, was das alles zu bedeuten hat, wir müssen vorankommen. Sie ging in die Knie, um die restlichen Raffiabündel hochzuheben, da stieg ihr etwas in die Nase, das sie kannte. Es roch rauchig, holzig, sinnlich, ein bisschen wie Tabak. Es war der Duft von schwarzer Ambra.

30
    Mathildes Brief
    Ambalava, am Morgen des 12. August 1 85 6
    Meine geliebte Florence,
    Pater Antonius hat nicht schlecht gestaunt, als ich ihm gestern Abend mein Gewehr unter die Nase gehalten habe. Er ist zurückgekehrt, weil er auf dem Weg nach Antalaha überfallen wurde, und wollte sich eine meiner Waffen ausleihen und seine Kleider wechseln. In der Soutane provoziert er die Eingeborenen zu stark. Ich gab ihm zwei Lambas, allerdings ändert das ja nichts an seiner Hautfarbe. Er hat mich die ganze Nacht angefleht mitzukommen, aber mein Entschluss steht fest, ich warte hier auf Edmond, denn wie sonst sollen wir uns je wiederfinden?
    Aber ich werde Pater Antonius alles für Dich mitgeben, um kein Risiko einzugehen. Das wiederum bedeutet, ich muss mich noch mehr beeilen, denn er will aufbrechen, sobald er aufwacht. Zum Glück hat er dem Rum gut zugesprochen, den ich ihm verabreicht habe, er war zu aufgewühlt, um Schlaf zu finden.
    Du hast Dir mittlerweile sicher schon selbst zusammengereimt, was ich getan habe, um Edmond zu rächen. Davon weiß Pater Antonius natürlich nichts, er hat keine Ahnung, und ich werde auch dafür sorgen, dass er das hier nicht liest, sonst kommt er vielleicht noch auf den Gedanken, meinen Brief verschwinden zu lassen. Deshalb werde ich ihn in Wachspapier packen und dann in dem Einband meines Rezeptbuches verstecken, wo Du ihn sicher finden wirst, wenn Du den Einband oft genug anfasst.
    Also, Monsieur Tartuffe Beaumont hatte behauptet, all sein Familienschmuck sei gestohlen worden, voilà, und nichts mehr und nichts weniger würde ich tun.
    Es war ein Kinderspiel, die Arroganz der Reichen hatte sie sehr sorglos gemacht. Ich nutzte das Weihnachtsfest, an dem die Familie bei befreundeten Pflanzern eingeladen war. Sie ließen nur den alten, schwerhörigen Jaques zurück, einen väterlichen Freund von Edmond – einer seiner vielen Freunde, alle Bediensteten

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