Die Insel des Mondes
waren ihm wohlgesinnt, jeder liebte ihn.
Ich fesselte und knebelte Jacques, damit er nicht beschuldigt würde, er sollte dann erzählen, dass eine Gruppe von Dieben über ihn und das Haus hergefallen war. So weit verlief alles nach Plan. Ich eilte zum Schlafzimmer von Madame Beaumont und leerte ihre Schmuckschatulle – wo die sich befand, wusste ich von früher, und das Schloss hätte ein Idiot aufbrechen können.
Aber ich hatte nicht mit dem kleinen Prinzen gerechnet, der plötzlich unter dem Bett seiner Mutter hervorkroch und mich dabei erwischte, wie ich die letzten schweren Goldketten in meine Reisetasche warf. Ich versichere Dir, es waren beschämend viele – und die meisten natürlich bezahlt von den Profiten, die Beaumont mit der Vanille – Edmonds Vanille – gemacht hatte. Da standen wir, der kleine Junge und ich, und funkelten uns an, und wirklich, meine liebe Florence, ich hätte mich beinahe vergessen, was hatte dieses verwöhnte Kind ausgerechnet an Weihnachten zu Hause zu suchen? Später erfuhr ich, dass er mit seinem Vater in Streit geraten war, weil er einer Katze den Schwanz abgeschnitten und sich aus Angst vor seiner Strafe versteckt hatte. Das sagt ja wohl genug über den Charakter des feinen kleinen Herrn, oder? Normalerweise hätte ihn seine Mutter überall gesucht und angefleht mitzukommen, aber genau an diesem Tag wollte Beaumont ein Exempel statuieren und war zur Strafe ohne ihn weggefahren.
Ich überlegte nicht lange, stieß Louis, zugegeben etwas grob, zur Seite und rannte so schnell ich konnte davon.
Mein großer Vorteil war, dass ganz Réunion im weihnachtlichen Rumrausch lag und niemand in der Lage war, sofort nach mir zu suchen. Das verschaffte mir einen Vorsprung, den ich dazu nutzte, ein Boot zu mieten. Die Fahrt nach Madagaskar war sehr stürmisch, und ich fürchtete mehrfach um mein Leben, aber schließlich landeten wir im Nordosten von Madagaskar an.
Aus unserer Zeit bei den Piraten wusste ich, dass das feuchte Klima dort perfekt für den Anbau von Vanille sein würde. In Toamasina, oder Tamatave, wie die Franzosen die Hafenstadt nennen, traf ich Laborde, den einzigen europäischen Günstling der Königin, dem sie unglaubliche Privilegien eingeräumt hatte. Er verkaufte mir ein Stück von seinem Land, jenes, auf dem ich jetzt lebe. Zuerst weigerte er sich, weil er Angst hatte, die Eingeborenen würden mir etwas antun. Doch der Schmuck aus Beaumonts Schatulle und eines meiner besonderen Parfümflakons haben ihn dann überzeugt, und ich habe Gerüchte gehört, dass er alles Ranavalona geschenkt hat, was seine Position bei Hof sicher weiter gestärkt hat. Seitdem arbeite ich unbehelligt hier und warte darauf, dass Edmond aus dem Gefängnis entlassen wird und zu mir kommt.
Warten ist vielleicht nicht das richtige Wort, denn das klingt so passiv, und ich bin alles andere als das. Ich habe nicht nur Vanille angepflanzt, die hier zwar wie von allein wächst, deren Bestäubung und Trocknung aber, wie Du ja nun weißt, sehr mühsam ist, sondern auch wieder angefangen, an meinen Parfüm rezepten zu arbeiten. Und weil mir hier so viele der europäischen Pflanzen fehlen, grase ich die Umgebung ab, um andere zu finden, die meinen Parfüms das gewisse Etwas verleihen. Und ich stoße immer wieder auf interessante Pflanzen, allerdings ist es schwierig, ihren Duft zu konservieren. Aber ich schweife ab.
Denn mein ganz großer Plan ist der, Edmond und unserer Liebe ein Denkmal zu setzen, und was könnte das anderes sein als ein einzigartiges Parfüm? Ich wollte ein Parfüm schaffen, das ist wie wir, wie unsere Liebe, voller Kontraste, voller Leidenschaft, voller Trauer, süß und unvergänglich. Zuerst dachte ich daran, es in Anlehnung an Edmonds Nachnamen Albius, was ja auf Lateinisch »weiß« bedeutet, »Passion Blanche« zu nennen, aber dann passierte etwas Unglaubliches, und danach wusste ich, dass »Vanille d’Or« der bessere Name ist.
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Orangenblüte, Neroli
Bei der Destillation der Orangenblüten mit Wasser erhält man das ätherische Orangenblütenöl oder Neroliöl. Es werden dazu nur die Blüten der sogenannten bittern Orange, Citrus Aurantium amara L., verwendet, da die Blüten der süßen Orange ein Öl von schwächerem, weniger feinen Duft liefern, das Neroli-Portugalöl.
F ünf Tage nachdem Paula mit dem Drongo gesungen
hatte, war das Floß fertig. Während ihre Füße langsam heilten, waren ihre Hände von dem Flechten der Raffiafasern wund, aber es hatte sich gelohnt,
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