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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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Bambusrohr, aber es dauerte lange, bis es endlich umknickte. Als er es ganz abgetrennt hatte, riss er das Rohr triumphierend hoch und schwenkte es hin und her.
    »Morten, los, kommen Sie schon, helfen Sie mir!«, rief er ihnen zu. Widerwillig erhob sich Morten und ging aufreizend langsam zum Fluss.
    Während Paula den Männern bei ihren Kraftakten zusah, dämmerte ihr, dass Bambus allein nicht ausreichen würde.
    »Noria, wir brauchen etwas, um die Stangen zu verbinden. Seile.«
    Noria seufzte. »Sie wollen es wirklich herausfordern, oder? Kommen Sie mit.« Noria griff sich ihr Coup-Coup und lief zurück in den Dschungel, aus dem sie gekommen waren.
    Paula beeilte sich aufzustehen, packte Nirina in ein Tuch vor ihrer Brust und folgte Noria. Bei jedem Schritt fühlte sie, wie sich die Blätter und Ästchen in ihre Füße bohrten, und sie sehnte sich nach dem Tag, an dem sie ihre Schuhe wieder würde tragen können.
    Noria suchte etwas, sie musterte die Bäume, lief weiter, änderte ständig die Richtung, bis sie endlich vor einer Palme stehen blieb.
    »Raffia«, sagte sie, als Paula sie endlich eingeholt hatte und außer Atem neben ihr ankam.
    »Sieht für mich aus wie eine Palme.«
    Noria verdrehte die Augen und sah Paula auffordernd an, die schließlich meinte: »Also gut, es sieht aus wie eine Palme mit sehr großen Blättern.«
    »Schauen Sie doch mal genauer hin.«
    Paula trat näher heran, obwohl die Erde rund um die Palme übersät war mit piksenden Blattresten.
    Fragend drehte sie sich zu Noria um.
    Die lief an ihr vorbei, kletterte auf den Stamm und bis zur Stammachse hinauf, aus der die riesigen fransigen Palmwedel entsprangen. Dort schlug sie mit dem Buschmesser alte, braune Blätter ab und warf sie vor Paulas Füße. Sie erinnerten Paula an Bast. Sie ging wegen Nirina sehr vorsichtig in die Knie, hob ein paar dieser Blätter auf und nahm sie in die Hand. Die toten Palmwedel sahen nicht nur aus wie Bast, sie fühlten sich auch so an. Paula nahm ein paar Fasern und zog sie mit beiden Händen stramm, um zu sehen, wie stark sie waren. Zuerst hielt die Faser dem Druck stand, sie verstärkte den Zug, und die Faser riss. Aber wenn man mehrere davon zu einem Strang zusammenflocht, dann könnte man damit die Bambusrohre zusammenbinden, überlegte Paula.
    Sie sammelte die getrockneten Blattfasern und packte sie zu kleinen Bündeln zusammen. Nirina wachte von ihren Bewegungen auf und jammerte. Da sie ihn jetzt nicht herausnehmen konnte, begann sie das einzige Lied zu singen, das ihr Vater mit ihnen gesungen hatte, obwohl ihre Mutter es nicht gemocht hatte. »Kuckuck, Kuckuck, ruft’s aus dem Wald«. Es schien Nirina zu gefallen, denn er beruhigte sich etwas. Nach einiger Zeit kam es Paula so vor, als würde sie ein Echo hören. Verwundert sah sie zu Noria, die verbissen die Raffiapalme mit ihrem Buschmesser bearbeitete, aber Norias Mund war fest geschlossen.
    Paula fing wieder an und summte ein paar Takte, da hörte sie es erneut. Sie lauschte zu Nirina hin, aber der gab nur leichte Schnauftöne von sich, dann begann er zu jammern, weshalb sie wieder lauter weiterträllerte.
    Jetzt hörte sie es ganz deutlich. Sie sang weiter und drehte sich einmal um sich selbst. So etwas würde zu Villeneuve passen, dachte sie und gab sich Mühe, ihn zwischen den Bäumen zu entdecken. Aber da war keine Menschenseele.
    Das war ihr unheimlich. Sie versuchte Norias Blick auf sich zu ziehen und bedeutete ihr, von der Palme herunterzukommen.
    Noria verdrehte die Augen, kletterte dann aber den Stamm hinunter.
    »Was ist denn los?«, fragte sie.
    »Schsch. Bitte hören Sie doch mal, ob Ihnen etwas auffällt.« Als Noria widersprechen wollte, legte Paula den Finger auf ihre Lippen und bat sie noch einmal eindringlich. »Bitte!« Paula fing wieder an zu singen, und nach ein paar Takten war die zweite Stimme wieder zu hören.
    Norias Hautfarbe veränderte sich zu einem fahlen Gelbbraun. »Singen Sie weiter«, bat sie flüsternd und schaute sich genauso um wie zuvor Paula. Allerdings legte sie ihren Kopf in den Nacken und suchte in den Baumwipfeln.
    Plötzlich riss sie ihre Augen weit auf, schlug die Hand vor den Mund und taumelte ein paar Schritte zurück.
    Paula spähte in die gleiche Richtung, um herauszufinden, was Noria so erschreckt hatte, und dann entdeckte sie den Vogel.
    Es war ein Drongo.
    Sie hörte sofort auf zu singen und starrte den Vogel an. Der Drongo sah genauso aus wie der tote Vogel, den sie und Lázló am Lagerplatz ihrer

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