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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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Morten triefte vor Sarkasmus, nuschelte aber jetzt wieder so, wie es Paula von ihm kannte.
    »Deshalb gibt es keine Boote und keine Brücke, und niemand wird uns hinüberbringen«, erklärte Villeneuve. Dann fügte er mit einem Grinsen an: »Und schwimmen erübrigt sich unter diesen Umständen.«
    »Warum bauen wir dann nicht ein Boot?«, fragte Paula.
    »Das geht nicht.« Noria verschränkte die Arme vor ihrer Brust. »Ein Boot würde den Frieden unserer Ahnen stören.«
    » Meine Ahnen schwimmen da nicht drin.« Morten schüttelte den Kopf, dann suchte er Paulas Blick. » Sie sind voll von der Wahrsagerei des Morgenlandes und Zeichendeutern wie die Philister! Jesaia 2,6.« Jetzt klang er wieder ganz wie der alte Morten. »Wir sollten uns darüber hinwegsetzen.«
    Noria drehte sich um und ging wortlos davon.
    »Wir brauchen sie, ohne sie sind wir verloren.« Paula zog ihre Strümpfe an und stand auf, um mit Noria zu reden. Ihr plötzlicher Stellungswechsel behagte Nirina gar nicht, und er begann zu wimmern. Paula streichelte seinen Rücken, aber er fing an zu schreien. Sie legte ihn über ihre Schulter und klopfte beruhigend auf seinen Rücken, während sie sich beeilte, Noria zu folgen. Doch sie kam wegen ihrer Füße und Nirina nur langsam voran.
    Noria hatte sich auf eine kleine Anhöhe mit Blick auf den Fluss geflüchtet, sie kniete, starrte auf das heilige Gewässer ihrer Ahnen und drehte sich nicht nach der schwer atmenden Paula um.
    »Das alles ist sicher unerträglich für Sie«, sagte Paula und bemerkte, dass sich ihre Gefühle für Noria verändert hatten. Kaum bringst du ihrem Geliebten den Tod, denkst du freundlicher über sie und fühlst dich ihr näher, was für eine elende Heuchlerin du doch bist, meldete sich ihre innere Stimme. Bravo!
    Noria schwieg. Paula folgte ihrem Blick auf den Fluss und dann, als sie genauer hinsah, entdeckte sie die Krokodile, die dicht unter der braunen Wasseroberfläche träge im Fluss trieben. Man konnte nur ihre kleinen Nasenlöcher und die bernsteinfarbenen Murmelaugen sehen. Paula lief eine Gänsehaut über den Rücken, das waren große, richtig große Krokodile. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Noria.
    »Natürlich ist mein Leben bisher ganz anders verlaufen als Ihres, aber ich glaube, ich kann Sie trotzdem verstehen.«
    Noria gab ein ungläubiges Schnauben von sich.
    »Doch, wirklich, zum einen sind da die Missionare, die Sie aufgezogen haben. Zum anderen gibt es diese Welt, aus der Sie stammen. Es muss schwer sein, das miteinander zu versöhnen.«
    Paula betrachtete Nirina, der jetzt ruhig auf ihrem Arm lag und sie interessiert anstarrte. Man hat Noria wie Nirina behandelt und sie an einem Krokodilfluss ausgesetzt, dachte Paula und erinnerte sich plötzlich an ihre Eltern. So schwierig ihre Mutter auch gewesen war, so liebevoll hatte ihr Vater sie verwöhnt. Was wusste sie denn schon wirklich davon, wie es sich anfühlte, ausgesetzt worden zu sein? Auch wenn sie von ihrem Mann beinahe getötet worden war, hatte sie doch nicht die leiseste Ahnung von dem, was Noria als Kind durchlebt haben musste. Sie wollte ehrlich mit Noria sein, auch wenn es nicht leicht war. Paula räusperte sich ein paar Mal.
    »Nein, Sie haben recht, entschuldigen Sie, Noria, ich kann nicht einmal ahnen, wie Sie sich fühlen, doch ich möchte, dass Sie wissen, wie leid es mir tut, dass Lázló tot ist.«
    Sie redete weiter, weil sie unbedingt einen Zugang zu Noria finden wollte. »Es geschah einfach so, aus dem Nichts. Er wollte nur die Früchte von einem Jackfruchtbaum herunterholen, nicht eine Sekunde haben wir daran gedacht, dass das gefährlich sein könnte. Glauben Sie, das ist alles nur passiert, weil ich Nirina gefunden habe?« Paula wusste nicht, was sie noch sagen sollte.
    »Nein.«
    Damit hatte Noria eine Last von ihren Schultern genommen. Sie atmete erleichtert auf, aber da redete Noria auch schon weiter. »Ob das zusammenhängt, werden wir nie wissen, vielleicht wäre ihm sonst etwas anderes zugestoßen.« Norias Worte kamen langsam und heiser, wie einem Reibeisen abgepresst. »Lázló hat uns den Rücken zugedreht, weil ihn seine Ahnen gerufen haben. Sicher hatten sie Sehnsucht nach einem jungen, schönen und starken Mann.« Noria drehte sich zu Paula um. »All diese klapprigen Alten in der Ewigkeit, sie waren neidisch auf mich und die Freude, die ich mit Lázló hatte.« Noria wischte sich ihre Wangen trocken und grinste breit. »Und ich verstehe sie gut.«
    Paula

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