Die Insel des Mondes
Königin runzelte die Stirn und seufzte, sie erhob sich und machte Anstalten, die Verhandlung zu verlassen.
Paula setzte alles auf eine Karte, und obwohl sie am ganzen Körper zitterte, rief sie: »Ich wurde schon zu einem Gottesurteil mit der Tanguinbohne gezwungen, ist das nicht schon Strafe genug? Wollen Sie mir nicht wenigstens zuhören?«
Ein Raunen ging durch die Männer, und Ranavalona II. blieb stehen.
»Ein Gottesurteil? Ist das wahr?«, fragte sie in die Runde. »Wie ist das möglich, ich habe das strikt untersagt, die Einzigen, die in unserem Königreich Urteile vollstrecken, sind wir.« Sie setzte sich wieder hin. »Gut, reden Sie, und diesmal will ich nur die Wahrheit und nichts als die Wahrheit.«
Paula zitterte so stark, dass sie Mühe hatte, ihren Kiefer zu beruhigen. Die Königin ließ ihr einen Tee bringen, und sie durfte sich setzen, Nirina wurde von ihrem Rücken genommen und in ihren Arm gelegt.
Paula erzählte alles, was passiert war, sie ließ nichts aus, nicht Nirina, nicht den Tod von Lázló, ja, sie verriet sogar, wie sie dem Gift der Tanguinbohne getrotzt hatte. Und sie machte sehr deutlich, dass es ihr nie um Gold, sondern immer nur um ihre Großmuter und deren Vanille und Parfüm gegangen war und Villeneuve einzig und allein um Heilpflanzen. Sie erklärte, dass sie überhaupt erst unterwegs von dem Goldfund ihrer Großmutter erfahren hatte. Allerdings verschwieg sie, dass Noria etwas von Mortens Absichten gewusst hatte, und betonte, dass sie alle Noria hinters Licht geführt hätten. Schließlich war es allein Paulas Idee gewesen, die sie in diese Lage gebracht hatte.
»Nun, das ist eine sehr hübsche Geschichte, die sich auf jedem Jahrmarkt gut machen würde«, meldete sich der Premierminister wieder und zwirbelte seinen Schnauzbart. »Gibt es irgendwelche Beweise dafür?«
Villeneuve bat um das Wort, und er wies auf Nirina, der in Paulas Arm lag und schlief. Ein kluger Schachzug, dachte Paula, weil sie sich daran erinnerte, warum dem Premier die Fingerkuppen an der linken Hand fehlten.
Dann sprach Noria, aber Paula verstand nur einzelne Worte, weil Noria nicht Englisch, sondern Merina redete. »Fady«, erkannte sie, »Drongo«, »Voay«, also Krokodil, und immer wieder »Razana«, Ahnen, »Zanahary«, Gott, und schließlich auch »Vanille«.
»Ny vava soa sakafo.« Die Königin lächelte Noria an und übersetzte für die anderen: »Eine gut gehaltene Rede kann sogar den Hunger besiegen!«
Die Staatsmänner, der Premier und sogar die Soldaten lachten schallend, als wäre man bei einem Dorffest. Paula schnürte es die Kehle zu. War das ein gutes Zeichen, oder bedeutete es, dass man sich darauf freute, ein weiteres Fest, ein hübsches, fröhliches Hinrichtungsfest, zu feiern?
Die Königin klatschte in die Hände, alle erhoben sich, um sich zurückzuziehen und sich zu beraten, während Paula und ihre Freunde, streng bewacht durch die Soldaten, in der sengenden Sonne ausharren mussten. Man erlaubte ihnen nicht, miteinander zu sprechen. Einmal wurden ihnen Früchte gebracht, Cherimoyas. Paula fragte sich, ob das Absicht war oder nur Zufall. Sie wechselte einen kurzen Blick mit Villeneuve. Er lächelte ihr aufmunternd zu, küsste eine Cherimoya und drückte sie demonstrativ an seine Brust.
Erst als das Licht schon kupferfarbene Töne annahm, kam die Königin mit den Männern wieder zurück. Paula versuchte, in den bewegungslosen Gesichtern zu lesen, die auf sie wie geschnitzte Variationen von Trauer wirkten. Es war ihr unmöglich zu erkennen, was man entschieden hatte.
»Wir haben uns sehr lange mit den Männern der Justiz beraten und sind nun zu dem einhelligen Urteil gelangt, dass Sie alle mit dem Tode bestraft werden sollten«, begann der Premierminister. »Denn es ist unbestreitbar wahr, dass Sie betrogen haben, um sich die königliche Unterstützung Ihrer Majestät zu sichern, und Gräber geschändet haben, um an das Gold heranzukommen, das nur den Bewohnern dieser Insel gehört. Dieses Gold ist spurlos verschwunden, ebenso wie das Parfüm-Rezept, für das Sie angeblich all das auf sich genommen haben. Doch dafür haben wir nur Ihr Wort und das Ihrer Komplizen. Sie könnten das Gold gestohlen und versteckt haben, bevor unsere Soldaten gekommen sind, und Sie könnten sehr wohl den Ort kennen, an dem Ihre Großmutter das Gold gefunden hat, heimlich zurückkehren und unser Land weiter bestehlen. Das lässt uns keine andere Wahl.«
Paula presste Nirina an sich, als könnte er
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