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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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so eine große Lüge nicht geplant. Es war ja Paulas Idee, aber ich habe ihn und euch sehr deutlich gewarnt. Es ist für unsere Regierung eine große Demütigung, von Ausländern so vorgeführt zu werden.«
    »Das wäre es für jeden.« Villeneuve schüttelte den Kopf. »Wir waren wirklich von einer unglaublichen Arroganz. Trotzdem würde ich gern wissen, wer uns verraten hat.«
    »Das ist doch vollkommen unerheblich, wir sollten viel lieber über einen Weg reden, wie wir das aus der Welt schaffen können, ohne dass Blut fließt.« Paula sah die beiden flehend an, woraufhin ihr Villeneuve seine Hand leicht auf den Arm legte und ihn streichelte, was sie sogar unter diesen Umständen noch erregte. Aber Paula unterdrückte diese angenehmen Gefühle, denn jetzt ging es nur darum zu verhindern, dass Menschen wegen ihr zu Tode kamen.
    »Die Königin mochte dich«, überlegte Noria, »das müssen wir ausnutzen.«
    »Und wenn sie gar nicht mit uns reden wird? Wenn nur der Premier sich mit uns beschäftigt?«
    »Das müssen wir schaffen. Denk dir etwas aus.«
    Sie tranken alle einen Schluck von dem Reiswasser, das Paula noch nie gemocht hatte und mittlerweile verabscheute.
    Ein Soldat brüllte einen Befehl in das Zelt.
    »Es ist so weit«, übersetzte Noria, und ihr Gesicht verdüsterte sich. »Ausgerechnet heute, es ist alatsinainy, Montag, und das ist ein schwarzer Tag. Der Tag der Sorgen und des Streits. Verflucht sei der, der diesen Tag bestimmt hat.«
    Sie wurden unsanft durch das Haupttor von Ambohimanga getrieben, und Paula, die Nirina auf ihrem Rücken trug, hatte große Mühe, den Anstieg zum Palast in dem Tempo zu bewältigen, das die Soldaten vorgaben.
    Es war sehr viel heißer als vor vier Wochen, ihre Beine zitterten von der Anstrengung, und sie schwitzte, obwohl hier oben eine leichte Brise wehte, die eine Mischung von Gewürznelken, Orangenblüten und Styrax in ihre Nase steigen ließ. Sie spürte wieder den eigenartigen Zauber, der die sem Ort innewohnte, und sie erinnerte sich an ihr Gespräch mit Lázló. Obwohl ich nicht an ihn glaube, hatte er gesagt, fühle ich, dass er hier ist, Gott. Dazu hatte er sie mit seinem jungenhaften Lachen angestrahlt. Und jetzt war er tot.
    Sie blieb stehen, um zu verschnaufen, drehte sich um und sah auf die tief unter ihr liegende, in der Sonne blau zitternde Landschaft mit ihren Palmen und Reisterrassen. Hatten sie dieses Land wirklich so schwer beleidigt, dass sie alle hingerichtet werden mussten und nur ihr Blut diesen infamen Betrug wieder auslöschen konnte? Nein, dachte Paula, es musste einen Weg geben, sie zu retten.
    Als sie endlich an dem großen heiligen Feigenbaum angekommen waren, wurden sie schon erwartet. Anders als beim letzten Mal war der große Platz nicht leer, sondern man hatte am hinteren Ende, das leicht erhöht lag, Tische und insgesamt zehn Stühle aufgebaut, und auf diesen Stühlen saßen rechts und links schon je vier Männer, nur die beiden Mittelplätze waren noch frei. Paula fröstelte es trotz der Hitze. Hier tagte ein Tribunal, das sie wegen Staatsverrat in den Tod schicken wollte. Paula wünschte sich sehnlichst, dass in der Mitte nur die Königin sitzen würde und der Premierminister verhindert sein möge.
    Villeneuve stellte sich dicht neben sie und griff nach ihrer Hand. Bevor er noch etwas sagen konnte, trat Noria zu ihnen und nahm Paulas andere Hand.
    »Sieht nach einer richtigen Gerichtsverhandlung aus«, flüsterte Villeneuve erstaunt.
    Noria schnaubte. »Was habt ihr denn gedacht, hier bei den Merina sind wir schließlich zivilisiert.«
    Paula und Villeneuve sahen sich an, sagten aber nichts.
    »Auch wir werden die Möglichkeit haben zu sprechen.«
    »Wird das etwas nutzen?«
    Noria zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht. Wir werden sehen.«
    »Dürfen wir uns hinsetzen?«, fragte Paula, was Noria nur mit einem Kopfschütteln beantwortete.
    Plötzlich erhoben sich alle, und dann erschien der Premier minister in einem weißen Anzug, wieder mit dem viel zu langen Schwert an der Seite, das ihn noch kleiner aussehen ließ, als er ohnehin war. Als er sich setzte, folgten die anderen seinem Beispiel, und die Blicke aller Männer richteten sich auf die drei Angeklagten.
    Der Premierminister erklärte, dass man die Verhandlung auf Englisch führen würde, damit sie alles verstünden. Schweiß tropfte von seiner beginnenden Stirnglatze und ließ seine haselnussfarbene Haut wie poliert wirken. Er trug in höchst langwierigen, umständlichen

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