Die Insel des Mondes
ihr Halt geben, und suchte den Blick der anderen, die in ihrer bleichen Fassungslosigkeit sicher ein Spiegelbild ihrer selbst waren.
Die Königin räusperte sich. Paula schöpfte Hoffnung.
Rainilaiarivony legte die Hand auf den Arm seiner Frau, doch sie entzog sich ihm und begann zu sprechen.
»Der Premierminister hat nun sehr weise, wahr und eindringlich die Gründe für sein Urteil dargelegt.«
Damit war alles zu Ende. Paula fühlte sich wie betäubt.
Wie dumm von ihr, zu erwarten, dass diese Frau einem solchen Ränkeschmied wie dem Premier gewachsen war.
»Ich habe jedoch mein Veto eingelegt, zum einen, weil ich von Verrätern nicht viel halte. Wir lassen nach Morten Wahlström suchen, und wenn wir ihn finden, wird er für seine Vergehen die gerechte Strafe erhalten. Zum anderen kann ich nicht dulden, dass Menschen in meinem Königreich Unrecht geschieht, und sowohl Ihnen als auch Ihrer Großmutter ist von Ranavalona I. und der Familie Rakotovao großes Unrecht angetan worden.«
Wie? Was denn jetzt? Ich halte das keine Sekunde länger aus, dachte Paula, deren Herz mehr raste als beim Verschlucken der Giftbohnen. Es war genug.
»Nur deshalb erhalten Sie, Paula Kellermann, die Möglichkeit zu beweisen, dass all das wahr ist, was Sie behauptet haben, und wenn es Ihnen gelingt, dann sind Sie und Ihre Freunde frei. Ich gebe Ihnen die Möglichkeit, dieser Insel etwas von dem zurückzugeben, was Sie ihr gestohlen haben.«
Paula war so durcheinander, dass sie kaum noch atmen konnte. Was zur Hölle sollte das sein? Sie konnte doch das Gold nicht wieder herbeizaubern? Sie war doch keine Alchimistin! Nirina spürte ihre Anspannung und begann leise zu wimmern.
»Sie werden ein Parfüm herstellen, das der Königin von Madagaskar angemessen und würdig ist und das den Reichtum dieses Landes in sich trägt. Dazu haben Sie Zeit bis morgen, wenn die Sonne genau so am Himmel steht wie jetzt.«
Wahnsinn, das war nichts anderes als ein besonders sadistisches Urteil, denn wie sollte sie ohne ihre Materialien in so kurzer Zeit etwas wirklich Gutes zustande bringen?
»Aber das ist nicht genug Zeit.«
»Wir halten das für absolut ausreichend«, meldete sich jetzt der Premierminister, und sein Ton zeigte deutlich, wie vermessen er diese Kritik fand.
Paula dachte an die Variation von Kölnisch Wasser, die sie der Königin geschenkt hatte. Wollte sie so etwas, war es das? Aber dafür fehlte ihr das Feldkümmelöl, das sie nicht mit auf die Reise genommen hatte. Aber der Duft von Kölnisch Wasser hatte so viel mit dieser Insel gemein wie der von einem Schweinebraten mit einem Schokoladensoufflé. Beides war für sich genommen ganz köstlich, aber sowenig man einen Schweinebraten zum Dessert verspeisen wollte, so wenig angemessen war Kölnisch Wasser für Madagaskar.
»Und wenn Ihrer Majestät nicht gefällt, was ich für sie gemischt habe?«
Es war dem Premier eine Genugtuung, ihre Frage zu beantworten. Er zwirbelte bedächtig seinen mächtigen Schnauzbart. »Nun, sollte das Ergebnis Ihre Majestät nicht überzeugen, so werden Sie unverzüglich hingerichtet.«
Paula umklammerte Nirina noch fester, um nicht ohnmächtig zu werden, und sah verzweifelt zu Noria und Villeneuve. Ich muss uns da rausholen, dachte sie, deshalb hat es keinen Sinn, weiter darüber zu lamentieren, was mir zur Arbeit fehlt, ich muss mich im Gegenteil unverzüglich an die Arbeit machen.
»Ich brauche die Hilfe meiner Freunde«, sagte sie mit fester Stimme, »ich brauche einen sauberen, schattigen und trockenen Ort, an dem ich arbeiten kann.«
Der Premierminister schüttelte den Kopf, und es ging ein Raunen durch die Ministerreihe ob dieser Unverschämtheit, aber die Königin gewährte ihr für die kommenden vierundzwanzig Stunden alle Hilfe, die sie benötigte, und es wurde ihr gestattet, sich auf dem ganzen Gelände frei zu bewegen. Nur der Holzpalast von Andrianapoinimerina war ihnen untersagt.
Die Soldaten führten sie an den zusammengeströmten Madagassen vorbei, von dem Gerichtsplatz über die Treppen hinauf zu den Palästen und in den Raum, in dem sie bei ihrem ersten Besuch geschlafen hatten. Sie trugen kurzerhand das Bett mit dem Vorhang aus dem Raum, um Platz zu schaffen, und stellten es auf den Hof, wo die Kinder kichernd zusammenliefen und versuchten sich hineinzulegen, bis sie von den Soldaten verscheucht wurden.
Dann wurde ihnen ihr Gepäck in das Zimmer gebracht, die Soldaten verschwanden bis auf ihre drei mit Messern und Speeren
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