Die Insel des Mondes
Holzschuppen eines verarmten Csárdás-Fürsten«, murmelte Lázló, der sich nicht ganz wohl zu fühlen schien.
»Andrianapoinimerina war ein sehr guter König, der genauso schlicht wie sein Volk gelebt hat. Er brauchte all den Prunk nicht, den Ranavalona I. sich von den Europäern hierher hat bringen lassen.« Noria rümpfte die Nase. »Diese Verrückte hat ihren Sommerpalast«, sie zeigte auf die Mauer zu ihrer Linken, »aus Stein, Sand und Wasser bauen lassen und als Klebemittel wurden Eier verwendet. Ein weiser Mann hat ausgerechnet, dass es sechzehn Millionen Eier waren, jeder Untertan musste über Jahre ein Ei pro Tag für diesen Palast spenden.« Sie schnaubte verächtlich. »Aber das Haus von Andrianapoinimerina ist aus Palisanderholz gebaut, das hier wächst. Dazu mussten nicht jahrelang Sklaven Steine den Berg hinaufschleppen. Niemand hatte damals ein Steinhaus, denn früher haben wir Steinhäuser ausschließlich zu Ehren unserer Toten gebaut. Einzig sie haben es verdient, denn nur unsere Toten leben ewig, und nur die Steine sind für die Ewigkeit.« Ihre Augen streichelten den Holzgiebel geradezu, dann fuhr sie mit einem Seufzen fort. »Aber Ranavalona II. hat es gefallen, nun auch den Bau von steinernen Brücken und Kirchen zu erlauben.« Noria schaubte verächtlich. »Das ist der Einfluss dieser Christen! Bleiben Sie bitte hier und warten.«
Noria lief links an der Wand, die mit den vielen Eiern erbaut worden war, vorbei und dann weitere Treppen nach oben.
Niemand sagte ein Wort, aber einer nach dem anderen setzte sich mit einem leichten Ächzen auf die Treppenstufen. Paula genoss den Wind, der sanft durch ihre Kleider fächelte und sie ein wenig abkühlte.
Mit jedem Atemzug fühlte sie sich freier. Es ist fast, als würden mir hier Flügel wachsen, dachte sie und war versucht, ihre Arme auszubreiten, und nur die Anwesenheit der anderen hielt sie davon ab. Vielleicht war es doch ihre Bestimmung, an diesen Ort zu gelangen, dachte sie, egal wie. Möglicherweise war ihr Täuschungsmanöver wirklich nur so etwas wie eine Fata Morgana, die niemandem wehtat, aber schön anzusehen war. Sie stand auf, um ihre Umgebung genauer zu betrachten.
Lázló folgte ihr. »Nicht, dass ich an ihn glauben würde, aber Gott ist hier«, sagte er und lächelte ironisch. »Ich glaube, Sie kennen das auch, dass ihr Verstand etwas leugnet, was ihr Gefühl bejaht, oder? Mein Verstand lehnt Gott schon lange ab, erst recht seit dem Tod meiner Schwester, und doch fühle ich ihn. Und Sie spüren das auch, das merke ich. Die Merina haben recht. Niemand braucht hier einen Palast oder eine Kirche aus Stein. Es ist viel wunderbarer, im Freien zu stehen und dieses mächtige heilige Gefühl zu spüren, als mühsam ein prunkvolles Bauwerk zu errichten, in dem es dann erst einmal gelingen muss, genau diese Verbindung herzustellen.«
Paula war ganz erstaunt über Lázlós kleinen Vortrag, der ihr aus der Seele gesprochen hatte, und sie schämte sich ein wenig, dass sie ihn in Gedanken immer nur als Schönling bezeichnet hatte.
Gerade als sie ihm antworten wollte, trat Villeneuve zu ihnen, und weil sie auf seinen Spott verzichten konnte, wechselte sie das Thema.
»Was sagen wir auf die Frage, warum der Kaiser ausgerechnet uns ausgewählt hat?« Paula sah zwischen den beiden hin und her.
»Warum sollte denn jemand an uns zweifeln?« Villeneuve klang müde. »Misstrauisch sind doch immer nur die, die selbst etwas zu verbergen haben.« Er wandte sich an Morten, der wieder zu ihnen gestoßen war. »Oder, Morten, ist das nicht so? Außerdem schaden wir niemandem.«
»Nun, wir werden sehen, ob Gott es gutheißt, durch eine Lüge zu etwas Segensreichem zu kommen.« Morten strich sich betont nachdenklich über seinen Bart und klang ungewohnt salbungsvoll.
»Elender Puritaner!« Villeneuve milderte seine Worte mit einem seiner seltenen Lächeln.
Plötzlich ertönte Musik, es klang wie eine Zither und eine Flöte. Sie sahen sich suchend um und entdeckten Noria, die von vier Musikern und vier Frauen in weißblauen Lambas begleitet wurde. Zwei der Musiker hielten in der rechten Hand ein Bambusrohr von etwa einem Meter Länge, das sie in die Hüften stemmten, und spielten mit der freien linken Hand auf den Saiten, die rund um das Rohr gespannt waren. Die beiden anderen Musiker bliesen eine fröhliche Melodie in kurze Flöten, die helle, silbrige Töne erzeugten und Paula an Vogelgezwitscher erinnerten.
»Sieht nach unserem Empfangskomitee
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