Die Insel des Mondes
knappen Kopfnicken, setzte sich, sagte nichts und musterte sie der Reihe nach.
Es dauerte so lange, dass Paula anfing, nervös zu werden.
Schließlich räusperte sich der Premier und fragte in tadel losem Französisch und Englisch nach ihren Wünschen und erkundigte sich nach ihren Referenzen.
Villeneuve händigte ihm ihren gefälschten Brief aus, dessen Siegel der Premier interessiert und lange studierte. Viel zu lange, fand Paula. Dann endlich erbrach der Premierminister das Siegel und ließ sich das Schreiben von Noria übersetzen, die mit einigen Worten große Schwierigkeiten hatte.
Als Noria fertig war, lächelte der Premier und nickte, als wäre alles ganz so, wie er es sich wünschte. Dann ratterte er eine Kaskade von Sätzen herunter, die Noria dann für sie übersetzte.
Welcher Art die Handelsbeziehungen seien, die der Kaiser wünsche, was er ihnen im Gegenzug zu geben gedenke, und was den Kaiser dazu bewogen hätte, ausgerechnet sie mit dieser Mission zu betrauen, und warum sie dazu denn nicht im Vorfeld die madagassische Sprache gelernt hätten.
Paula schwitzte in ihrem schönen Kleid. Sie sah zu ihren Reisegefährten hinüber und überlegte, wer von ihnen am besten geeignet wäre, eine Antwort zu geben.
Zu ihrem großen Erstaunen ergriff Lázló das Wort.
Er begrüßte den Premier auf Madagassisch, ging dann aber zum Französischen über und erklärte, dass der Kaiser, der ein praktischer Mann sei und dem Geldverschwendung ein Gräuel sei, nach Menschen gesucht hätte, die bereits eine Reise nach Madagaskar geplant hatten. So konnte er die Kosten der langen Reise elegant auf sie abwälzen und musste nicht die Staatskasse mit einer Sache belasten, deren Ausgang ungewiss war. Das allein sei der Grund gewesen. Hier pausierte Lázló und gab seinen Reisegefährten die Möglichkeit, zustimmend zu nicken, was sie auch pflicht schuldigst taten. Selbstverständlich hätten sie mit dem allergrößten Vergnügen die Sprache dieses wunderschönen und einzigartigen Landes gelernt, wenn es denn im Deutschen Reich wenigstens einen Menschen gegeben hätte, der dieser herrlichen Sprache mächtig gewesen wäre, dem war aber nicht so. Doch auch dies sei ein Zustand, den man ändern könne, ja ändern müsse.
Paula bewunderte, wie flüssig Lázló das alles von der Zunge perlte, und während sie die listigen Augen des Pre miers beobachtete, die mit jedem Satz von Lázló entspannter wirkten, merkte sie, wie auch sie sich von der angenehmen Stimme und dem schönen Gesicht einlullen ließ. Einem schönen Mann glaubte man viel eher als einem hässlichen. Das war ungerecht, aber immer wieder hatte Paula bemerkt, dass Schönheit für die allermeisten Menschen unvermeidlich mit Wahrheit einherging.
Schließlich verstummte Lázló, nicht ohne in ihrer aller Namen noch die untertänigsten Formeln von sich zu geben, und Paula fand, er hatte seine Sache ausgezeichnet gemacht.
Der Premier schien erfreut, klatschte in die Hände und ließ einen Willkommenstrunk bringen.
Paula atmete auf. Der Rücken ihres Kleides war durchgeschwitzt, auch Villeneuve und Morten hatten Schweißperlen auf der Stirn.
Der Trunk wurde voller Ehrfurcht in angeschlagenen weißgoldenen Tassen aus Limoger Porzellan serviert, und Paula war sehr gespannt, was der Premier ihnen nun kre denzen würde. Nach allem, was sie durchgestanden hatten, hoffte sie auf Rum oder Schnaps. Und wie Noria ihnen mit einem sardonischen Lächeln versicherte, handelte es sich auch wirklich um das kostbarste und magischste Getränk, das Madagaskar zu bieten hatte: das Badewasser der Königin.
Da sich die Herren zurückhielten, griff Paula als Erste nach ihrer Tasse, vermied es hineinzuschauen, verbat es sich daran zu denken, was womöglich darin herumschwamm, und hob sie an den Mund.
»Einen Moment«, sagte Noria, und Paula hielt inne. »Man kann sich etwas wünschen, während man trinkt, dieser Wunsch geht dann in Erfüllung.«
Paula warf ihren Reisegefährten einen kurzen Blick zu, fragte sich flüchtig, was für Wünsche sie wohl hatten, und wünschte sich dann, dass sie für ihre Lüge nicht teuer bezahlen mussten. Dann stürzte sie das Wasser, das angenehm nach Jasmin und Honig duftete, leicht metallisch schmeckte und seine Herkunft als Badewasser nicht weiter verriet, in einem Schluck hinunter.
Noria und der Premier strahlten sie an und teilten allen mit, dass sie gegen Abend zum Essen mit der Königin im Speisesaal erwartet würden, und damit waren sie entlassen.
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