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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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Der Junge sah sich mit großen Augen in dem Zelt um. Paula trat näher zu Noria.
    Das Kind hatte ein klar geschnittenes, ovales Gesicht mit einem hübschen Mund, der herzförmig und hellrosa wie japanische Kirschblüten aus dem rabenschwarzen Gesicht herausleuchtete. Die winzigen Finger waren zu kleinen Fäustchen geballt und zitterten neben seinem Gesicht in der Luft.
    »Der Weg zum Ziel ist zwar sehr viel näher als der zurück, aber ohne Träger wird es schwierig«, sagte Noria und legte einen Daumen in die winzige Faust des Säuglings. »Trotzdem sollten wir lieber gleich aufbrechen. Ich weiß nicht, was im Dorf passiert, wenn es sich herumspricht, dass wir gegen ein so mächtiges Fady verstoßen haben.«
    Morten klatschte in die Hände, was das Kind zusammenzucken ließ. »Gut, dann machen wir uns auf und packen.«
    Villeneuve grinste in die Runde. »Wenn Noria recht hat, was sehr wahrscheinlich ist, dann müssen wir wirklich los.
Aber wir können nur das packen, was wir selbst tragen können, alles andere müssen wir zurücklassen.«
    Morten schrumpfte sichtlich zusammen. »Und wie machen wir das mit Madame Kellermann?«
    Paula hörte ganz deutlich, was er eigentlich hatte sagen wollen. Die Madame, der wir das alles zu verdanken haben, wird ja wohl nicht erwarten, dass wir auch noch ihr Gepäck schleppen …
    »Ich werde das tragen, was mir gehört, ich brauche keine Hilfe!« Aber innerlich blutete ihr Herz, denn sie würde die ganze Ausrüstung für die Parfümherstellung zurücklassen müssen. Sie brauchte ihr Zelt, das Moskitonetz, ihre Kleidung, die Öle und vor allem das Buch ihrer Großmutter, das würde sie niemals zurücklassen.
    »Und den Jungen werden wir abwechselnd tragen«, schlug Villeneuve vor und sah Paula direkt ins Gesicht. Sie wollte schon widersprechen, doch dann wurde ihr klar, dass er recht hatte.
    »Natürlich«, murmelte Morten. »Selbstverständlich, und ich kann durchaus ein paar Gepäckstücke von Mme. Kellermann übernehmen.«
    »Morten, ich denke, wir brauchen ihre Muskelkraft für das Geschirr und die Lebensmittel.«
    Noria überreichte Paula den Jungen. »Ich muss das Frühstück zubereiten.«
    Villeneuve stellte sich zwischen Noria und Paula und hob den Säugling auf seinen Arm. »Madame Kellermann, Sie kümmern sich um Ihre Wunden, ich kümmere mich solange um das Kind.« Er verließ mit den anderen Paulas Zelt.
    Sie tupfte Teebaumöl auf ihre Wunden, was zwar im ersten Moment sehr unangenehm brannte, aber dann beruhigend wirkte. Danach zog sie sich an, ging nach draußen zu ihren Reisegefährten und war darauf gefasst, angefeindet zu werden, weil es ihre Schuld war, dass die Träger sie verlassen hatten.
    Aber niemand sagte etwas. Sie setzte sich ans Feuer, Morten reichte ihr schweigend einen Tee, Noria einen Teller mit Reis. Villeneuve versuchte den Jungen mit Suppe zu füttern, und Lázló kaute an einem Stück Zitronengras.
    »Wohin sind Sie gestern eigentlich verschwunden, Lázló?«, fragte Paula schließlich in die Stille.
    »Ich bin den Trägern gefolgt, weil mir der Gedanke kam, dass wir auch Buschmesser haben sollten.«
    »Und warum haben Sie uns das nicht gesagt?« Und vor allem, was hatte er dann unten bei dem Rinnsal zu suchen gehabt? Denn dass er dort gewesen war, daran zweifelte Paula keine Sekunde.
    »Wenn Sie uns Bescheid gegeben hätten, dann hätten wir Sie nicht gesucht, und ich hätte diesen Säugling nicht gefun den.« Schon während sie redete, merkte Paula, wie lächerlich sie sich anhörte, schon wieder dieses: hätte, hätte, hätte. Das alles war doch egal, denn es war nicht mehr zu ändern, und lamentieren half nicht das Geringste.
    Lázló lächelte in die Runde. »Ich gehöre nicht zu den Menschen, die immer genau wissen, was sie als Nächstes tun werden. Schon ein Schmetterling kann mich vom Weg abbringen …«
    Villeneuve schnaubte abfällig, während Paula und Noria sich anlächelten. Es war eine komische Vorstellung, dass ein Mann wie Lázló von einem Schmetterling zu irgendetwas verführt werden könnte.
    »So wie gestern morgen, bevor ich ins Dorf bin, da hat mich ein Schwarm blauer Schmetterlinge sogar einen Abhang hinuntergelockt, und ich dachte, sie würden mich zu einer ganz besonderen Blüte führen, Villeneuve sucht ja nach Apocynaceen, und wir haben bis heute keine gesehen. Aber dann war der ganze Schwarm plötzlich verschwunden, wie Nebel, der sich in der Luft auflöst, und ich hatte Glück, dass ich den Weg zurück gefunden

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