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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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was sie sagen sollte, und blieb stumm.
    »Sie haben mich nach der heiligen Eleonore von England getauft, weil sie mich an ihrem Gedenktag, dem 21. Februar, entdeckt haben. Aber keins der anderen Kinder konnte meinen Namen richtig aussprechen, und so wurde ich erst zu Nora und dann zu Noria.«
    »Und ich bin sehr froh, dass du lebst. Ohne dich wären wir so hilflos wie dieses Kind.« Paula erinnerte sich an das, was Noria ihnen in Ambohimanga erzählt hatte. »Und viel leicht hältst du gerade den nächsten Premierminister im Arm.«
    »Ja, vielleicht, aber die Träger sind weg und werden nicht wiederkommen.«
    »Dafür werden wir eine Lösung finden. Morgen.« Paula trank den letzten Schluck Suppe aus ihrem Becher, fragte Noria, ob der Säugling den Rest der Nacht bei ihr bleiben könne, und schleppte sich dann in ihr Zelt, wo sie einschlief, noch bevor sie sich zudecken konnte.

17
    Mathildes Brief
    Ambalava, am Morgen des 10. August 1 85 6
    Meine geliebte Florence,
    es war gut, dass ich gestern Abend nach der Vanille gesehen habe, denn der Sturm hatte ein paar der Planen gelöst, aber ich war noch rechtzeitig dort. Auf dem Weg bin ich über kleine Totemfiguren gestolpert, und ich fürchte, das hat nichts Gutes zu bedeuten. Vielleicht hatte Pater Antonius doch recht mit seinen düsteren Ahnungen.
    Deshalb sollte ich mich mit meinem Brief besser beeilen, aber es fällt mir schwer, die Feder lange zu halten, ohne zu zittern.
    Die Vanille, meine liebe Tochter, ist eine eigenartige, spröde Pflanze. Manchmal denke ich darüber nach, ob es da nicht Parallelen mit Dir gibt, denn sie duftet nur, wenn man über Monate alles richtig macht, sie verzeiht keine Pflegefehler und braucht genau die richtige Menge an Sonne und Regen. Und dort bei der Vanille von Monsieur Beaumont, da habe ich ihn zum ersten Mal gesehen.
    Er hat dort gearbeitet, und er fiel mir nicht gerade wegen seiner Schönheit auf, nein, es war die Hingabe, mit der er sich der Vanille widmete. Er betrachtete die Blüten lange von allen Seiten, dann erst berührte er sie, so zart, wie noch kein Mann mich je angefasst hatte. Es war, als ob er eine Verbindung mit ihnen hätte, und wenn er eine Blüte verließ, um sich der nächsten zuzuwenden, dann sah es für mich so aus, als ob sie unter seinen Händen prächtiger geworden wäre, stärker leuchtete und gewachsen war. Ich beobachtete ihn stundenlang. Er wurde seiner Arbeit nicht müde und begegnete jeder Blüte mit dem gleichen Respekt. Seine Hände hatten kräftige Handteller mit kurzen starken Fingern, die eher plump wirkten, und doch benahmen sie sich so delikat. Die Mondsicheln auf seinen Nägeln leuchteten weiß, und die Innenseiten seiner Hände waren hellrosa, was einen hübschen Kontrast zu der irisierenden Schwärze seiner Haut darstellte.
Wenn es sehr heiß war, arbeitete er mit freiem Oberkörper. Jede Muskelfaser zeichnete sich unter seiner nass schimmernden Haut ab. Er war nicht sehr groß, aber er hatte breite Schultern und bewegte sich wie ein Tänzer, leicht und kraftvoll.
    Ich wurde magisch angezogen, wann immer ich ihm begegnete. Mir war völlig klar, dass ich doppelt so alt war, und mir war schmerzlich bewusst, dass meine Haut weiß und seine schwarz war, aber etwas an ihm berührte meine Seele. Es war seine Achtung vor allem Lebendigen, es war seine Demut und Kraft, es war etwas, das ich noch nie bei einem Mann gefunden hatte. Eine Klugheit, die seiner Verbundenheit mit der Erde entsprang. Ich wünschte mir, ihn zu berühren, wünschte mir, einmal nur von ihm umarmt zu werden, und wusste gleichzeitig, dass mich jeder für eine verrückte alte Närrin halten würde, was, wie ich fürchte, auch Deine Meinung sein könnte, meine liebe Florence. Wenn dem so ist, dann bitte ich Dich trotzdem weiterzulesen und mir meinen Letzten Willen zu erfüllen. Und, nein, ich schämte mich dieser Gefühle nicht. Warum auch? Ich hatte nicht geplant, Edmond jemals etwas davon wissen zu lassen, ich liebte diesen jungen Mann aus der Ferne, dabei war Edmond alleinstehend und niemandem versprochen, und er hatte keine Familie, weil er schon als Kind an Beaumont verkauft worden war. Wen also verletzte ich mit meinen Gefühlen? Niemanden.
    Dich? Nein, Florence, dies war doch etwas ganz anderes als meine Liebe zu Dir, meine Tochter! Es gab allerdings etwas an Edmond, was mich rasend machte, er liebte Beaumont und brachte ihm einen, wie ich heute mehr denn je finde, unnötigen Respekt entgegen. Aber ich schweife ab.
    Denn

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