Die Insel des Mondes
bisschen an Bananen. Erleichtert stöhnte sie auf, nahm sich noch mehr davon und aß es voller Behagen. Das konnte unmöglich giftig sein. Sie erinnerte sich an ihren Streit mit Villeneuve über das Süße, und wünschte sich, er wäre hier und würde mit ihr zusammen um Lázló trauern. Ihr Blick fiel auf seine Leiche, auf der sich schon die Ameisen zu tummeln begannen. So schnell.
Aber du wirst nicht sterben, Paula! Nicht, bevor du dort angekommen bist, wo du hinwolltest.
Das Wimmern aus der Hängematte erinnerte sie daran, dass sie nicht mehr allein war, sie musste für den Jungen sorgen. Sie nahm noch ein paar Bissen und zerkaute sie, während sie zur improvisierten Hängematte ging und Jo herausnahm. Dabei klebten ihre Finger an dem Moskitonetz fest. Sie versuchte wieder ihre Hände an feuchten Palmblättern abzuwischen, aber die klebrige Schicht ließ sich auch nicht wegreiben. Vorsichtig leckte sie ihren Zeigefinger ab, und ihr Gesicht verzog sich sofort angewidert. Das schmeckte stark bitter, wie sollte sie Jo damit füttern, er würde instinktiv den Mund zumachen. Sein kleiner ausgehungerter Körper verlangte nach Süße, und deshalb brauchte sie einen Löffel. Aber sie hatte keinen dabei, das ganze Essgeschirr war bei den anderen, bei Villeneuve. Ein Blatt, sie suchte nach einem Blatt, das sich zusammenrollen ließ, und damit musste es klappen. »So, mein Kleiner, jetzt wirst du gefüttert.« Sie legte ihn in ihren Arm, zerkaute das Fruchtfleisch zu einem feinen, süßen Brei und musste sich immer wieder davon abhalten, es versehentlich selbst herunterzuschlucken. Schließlich gelang es ihr, ihm den dünnen Brei einzuflößen. Zuerst spuckte er alles wieder aus und verschluckte sich.
Woher sollte er auch wissen, was er tun musste. Aber nach kurzer Zeit ließ er sich füttern. Paula konnte gar nicht so schnell kauen, wie Jo den Brei verschlang, und sie hörte erst auf, als er sein Köpfchen wegdrehte und deutlich zeigte, dass er satt war. Sie wischte ihm den Mund mit ihrem Ärmel sauber und freute sich an dem zufriedenen Lächeln, das sich beim Einschlafen auf sein Gesicht geschlichen hatte.
Sie legte ihn zurück in die Hängematte und hatte dabei wieder große Schwierigkeiten, ihre klebrigen Finger von ihm und dem Netz zu bekommen. Jetzt wollte sie endlich essen, aber dazu musste sie sich von Lázló entfernen, denn sein toter Körper wurde schon von Hunderten von Mücken umkreist. Sie setzte sich so, dass sie es nicht sehen musste, und aß, bis sie nicht mehr konnte.
Als sie satt war, erhob sie sich und versuchte die klebrige Schicht mit Erde von ihren Fingern abzubekommen, aber die Erde blieb nur an ihren Händen kleben und bewirkte gar nichts. Resigniert gab sie es auf, fluchte, sah hoch zur Sonne und bemerkte, dass es schon bald dunkel werden würde. Bevor die Nacht hereinbrach, musste sie unbedingt Lázlós Leiche bedecken, sie konnte ihn doch nicht einfach den Mücken, Ameisen und Vögeln überlassen. Das war sie ihm schuldig, auch wenn sie ihn nicht wirklich gut gekannt hatte. Dann brauchte sie sauberes Wasser und einen Schlafplatz für Jo und sich.
Obwohl die Erde in den letzten Stunden ständig nasser geworden war, hatte Paula nirgends einen Fluss oder eine Quelle entdecken können, und das Wasser aus den Pfützen war zu gefährlich, vor allem für Jo, das konnte man nur abgekocht trinken. Sie musste sich also auf die Suche nach einer Ravenala machen, wie die Madagassen den Baum des Reisenden nannten. Jedenfalls hatte sie bei Ida Pfeiffer gelesen, dass diese Palme so hieß, weil sie Regenwasser speicherte und so ausgetrockneten Reisenden das Leben rettete.
Aber zuerst wollte sie Lázló beerdigen, solange sie die Jackfrüchte hatte, würden sie schon nicht verdursten.
Sie band sich ein Mulltuch um den Kopf und ging hinüber zu dem Stamm, an dem Lázló noch immer in der Hockhaltung lehnte. Sie legte ihn auf die Seite und zog dann seine Beine lang, bis er wieder flach auf dem Rücken lag. Das brachte die Mücken in hellen Aufruhr, und sie kreisten bedrohlich summend wie schwarze Wolken über ihm und um sie herum. Sie zog sich ein paar Meter zurück, um ihnen zu entkommen, dann wurde ihr klar, dass sie es nicht schaffen würde, ihn zu beerdigen. Sie hatte nur ein Buschmesser, keinen Spaten, und sie erinnerte sich, wie schwer es Morten und Villeneuve gefallen war, zusammen ein Loch für die Truhen zu graben. Und gegen all diese Mücken und wütenden Ameisen, vielleicht auch noch Spinnen zu
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