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Die Insel des Mondes

Die Insel des Mondes

Titel: Die Insel des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Mannel
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hatten nichts anderes zu essen, und ohne die wären sie verloren.
    Dann nahm sie Jo wieder auf den Arm. »Wir gehen jetzt zu Lázló und verabschieden uns«, sagte sie, um sich Mut zu machen, weil sie sich vor dem fürchtete, was die Insekten und Vögel seinem Leichnam schon angetan hatten. Doch das war sie ihm schuldig. Es musste sein.
    Ob Lázló gewollt hätte, dass sie ein Gebet für ihn sprach? Er war ihr nicht sehr religiös vorgekommen, aber seine letzten Worte waren »lieben Sie« gewesen. Vielleicht hatte er etwas ganz anderes sagen wollen, etwas wie »Jesus liebt die Kinder« oder »Gott liebt dich«.
    Als sie endlich in Richtung des Jackfruchtbaums losmarschierte, stand die Sonne schon hoch und erfüllte den Wald mit ihrem gedämpften Licht.
    Je näher sie dem Baum kam, desto mehr zögerte sie. Sie wollte Lázló lieber so in Erinnerung behalten, wie sie ihn zuletzt gesehen hatte. Und was konnte sie schon sagen – was? Ein Gedicht, ja, eines von Johannes-Karls Lieblingsgedichten, aber da fiel ihr nur eines von August von Platen ein und davon auch nur die erste Zeile, doch sie schien ihr seltsam passend.
    Wer die Schönheit angeschaut mit Augen,
    Ist dem Tode schon anheimgegeben …
    Sie gab sich einen Ruck, schob die letzte Liane aus dem Weg und blieb fassungslos stehen.
    Was war das? Sie trat ein paar Schritte näher heran, um besser sehen zu können. Was sich ihrem Blick darbot, war so wunderbar und grotesk zugleich, so zauberhaft. Sie trat noch ein paar Schritte näher und wagte kaum zu atmen.
    Lázlós Leichnam lag unter einem vergoldeten Schleier, der in den wenigen Sonnenstrahlen aufschimmerte. Die Goldspinnen, die ihn umgebracht hatten, waren die ganze Nacht damit beschäftigt gewesen, ein goldenes Netz um ihn zu weben.

24
    Mathildes Brief
    Ambalava, am Morgen des 11. August 1 85 6
    Meine liebe Florence,
    ich fürchte, ich muss mich doch zwingen, schneller zu schreiben, weil ich diesen Brief einem vertrauenswürdigen Menschen mitgeben muss, der dafür Sorge trägt, dass Dich mein Erbe auch erreicht.
    Als ich heute Nacht den Abort im Hof benutzen wollte, bin ich wieder über neue kleine Totemfiguren gestolpert, und ich weiß, da war jemand auf dem Hof, obwohl ich nur ein Flüstern gehört habe.
    Aber jetzt zurück zu dem Grund, warum Beaumont Edmond verabscheute.
    Ich hatte Dir bereits erzählt, dass die Vanille von Beaumont lange unfruchtbar geblieben war. Nun, es war Edmond, der herausfand, was man tun musste, um das zu ändern. Zu diesem Zeitpunkt war mein geliebter Edmond gerade einmal vierzehn Jahre alt und Sklave von Beaumont, es war Anfang der Vierzigerjahre. Und falls Du der Meinung bist, dass es keine große Sache ist, Vanille fruchtbar zu machen, so muss ich Dir da vehement widersprechen. Alles Geld, das Beaumont mit seiner Vanille verdiente, hatte er allein Edmond zu verdanken. Und das war sehr viel Geld, mehr Geld, als er mit dem Rohrzucker und der Ananas zusammen einfuhr. Der Markt für Rohrzucker war stark eingebrochen, seit die Zuckerrübe in Europa maschinell geerntet werden konnte, Beaumont brauchte also eine neue Einnahmequelle, und die hat ihm Edmond verschafft.
    Vor Napoleon I. hieß die Insel Réunion »Île Bourbon«, und deshalb verfiel Beaumont auf den schlauen Schachzug, seine Vanille – also Edmonds Vanille – Bourbonvanille zu nennen, und er exportierte sie unter diesem Namen nach ganz Europa. Ihr fantastischer Geschmack machte sie zur besten Vanille der Welt. Ja, sie war sogar köstlicher als die Vanille aus Südamerika, dem Heimatkontinent der Pflanze. Man begehrte mehr davon und mehr.
    Und all das hatte dieser elende Pflanzer seinem Sklavenjungen Edmond Albius zu verdanken. Sogar die alten Griechen und Römer haben ihre Sklaven, wenn sie derartige Verdienste errungen hatten, freigelassen. Aber Beaumont tat es erst, als die Franzosen ihre Pflanzer dazu zwangen. Und weißt Du, was er Edmond dann anbot? Eine Stellung als Hausdiener. Ist das nicht außerordentlich generös von ihm? Als Edmond an dieser Stelle seiner Erzählung angelangt war, hatte ich Tränen der Wut in den Augen. Mein geliebter Mann, so dermaßen schäbig behandelt!
    Edmond hatte das großzügige Angebot abgelehnt, denn er liebte die Vanille. Seine Vanille, und ich kann es verstehen, denn dieser Duft ist die Königin unter all den Düften, die ich kenne.
    Jetzt möchtest Du natürlich endlich wissen, was Edmond getan hatte um die Vanille fruchtbar zu machen, und wenn ich Dir sage, dass es verblüffend

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