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Die Insel des Schreckens

Die Insel des Schreckens

Titel: Die Insel des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans W. Wiener
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anderen standen dem ersten Schergen in nichts nach. Sie fingen sich die Menschen aus der Menge heraus und brachten sie zum Wagen. Nur wenige Augenblicke nachdem sie erschienen waren, hockten zwei Männer und zwei Frauen auf dem Gespann. Sie saßen dort mit gesenkten Köpfen. Sie hatten nicht einmal den Anflug eines Widerstands gezeigt. Sie ließen alles mit sich geschehen. Niemand kümmerte sich um die Brutalität, mit der sie behandelt wurden.
    Der Betrieb auf der Uferstraße ging ungestört weiter. Es musste eine große Macht sein, die das mit den Menschen machen konnte, die sie zu solch einer Gleichgültigkeit bringen konnte.
    »Wir haben genug!« brüllte der Kutscher den beiden anderen zu. »Lasst uns zurückfahren!«
    »Warte noch!« forderte einer der Angesprochenen. »Sieh mal, was ich gefunden habe!«
    Der Scherge hatte noch einen Mann mit der Peitsche aus der Menge herausgefangen. Er zog ihn hinter sich her und führte ihn zum Wagen.
    Der Mann war noch jung, vielleicht zweiundzwanzig Jahre. Seine Haut hatte einen dunklen Ton, sie wirkte fast bronzefarben. Seine Haare waren ebenfalls dunkel, er trug sie lang bis auf die Schulter. Er war groß und schlank und besaß einen muskulösen, gut ausgebildeten Körper. Auch er wirkte unbeteiligt und teilnahmslos wie all die anderen.
    »Scheint mir einer von denen zu sein, die erst gestern hier angekommen sind«, sagte der Kutscher. »Ich habe ihn noch nie gesehen!«
    »Du hast recht«, sagte der erste. »Und auch das hast du sicherlich noch nie gesehen!« Er griff in den Gürtel des Mannes
    und riss das lange Schwert heraus, das dort in einer Schlaufe hing.
    Es war eine doppelschneidige Waffe, etwa armlang. Die Klinge wirkte transparent, fast wie aus Glas. Dazu umgab sie ein seltsames Leuchten. Im Inneren der Klinge waren drei Zeichen sichtbar: das Symbol einer Sonne, ein Fünfeck und zwei Bögen.
    »Eine Waffe aus Glas?« sagte der Kutscher zweifelnd. »Wie soll man damit kämpfen?« Er hob das Schwert und schlug damit gegen die Radscheibe des Wagens. Obwohl er nicht viel Kraft in den Hieb gelegt hatte, drang die Klinge tief ein. Gleichzeitig ertönte ein seltsamer Klang, wie das ferne Wehklagen einer sanften Stimme.
    »Welch eine Waffe!« murmelte der Scherge.
    Der Kutscher stieß den Knauf seiner Peitsche hart gegen die Brust des jungen Mannes. »Wo hast du diese Waffe her?«
    Der Getroffene taumelte einen Schritt zurück, als ihn der heftige Stoß traf. Doch dann blieb er wieder so teilnahmslos stehen wie alle anderen Schiffbrüchigen auch. Er antwortete nicht.
    »Du weißt, er kann dir nicht antworten«, erinnerte der andere Scherge. »Nur Ysider kann ihn zum Sprechen bringen!«
    »Gib das Schwert zurück!« sagte der dritte. »Du kennst die Gebote Ysiders. Wir müssen ihm die Gefangenen so bringen, wie sie hier an Land gehen. Lass uns aufbrechen, wir haben noch einen weiten Weg vor uns!«
    Der Kutscher knurrte wütend. Aber er stieß das Schwert zurück in die Gürtelschlaufe des Besitzers. Dann versetzte er ihm einen Stoß, dass er von dem Wagen wegtaumelte.
    Die Peitsche knallte über den Pferden, und ihre Hufe stemmten sich in den Boden. Die wuchtigen Scheibenräder drehten sich, die Achse kreischte in den Halterungen. Eine Staubwolke stieg auf, als der Wagen mit den Gefangenen in der Richtung verschwand, aus der er gekommen war.
    *
    Mythor bewegte sich langsam die Uferstraße hinauf. Sein Kopf war gesenkt, seine Schultern hingen schlaff herab. Schleppend setze er Fuß vor Fuß. Am Ende der Straße, dort, wo der gepflasterte Teil in dichtes, dorniges Buschwerk überging, drehte er sich um und schlenderte zurück. Hunderte von anderen Menschen kamen ihm auf der Straße entgegen oder überholten ihn. Auch sie schleppten sich gebrochen vorwärts. Es war ein ständiger Kreislauf voller Stumpfsinn und Lethargie. Nicht der geringste Lebenswille schien mehr in diesen Menschen zu stecken, und Mythor glich ihnen in allem.
    Nein, nicht in allem! Es gab einen Unterschied: Mythors Hände waren zu Fäusten geballt!
    Hinter den halb geschlossenen Lidern funkelten helle, wache Augen. Es gab nichts, was ihnen entging. In seinem Kopf formten sich Gedanken, und sie waren alles andere als von Ergebenheit und Apathie erfüllt.
    Der Herrscher von Zuuk hatte Mythor nicht unterwerfen können!
    Mythor wusste nicht genau, warum das unwirkliche Sirren, das von der schwarzen Burg ausging, nicht auf ihn gewirkt hatte. Er hatte nur einen vagen Verdacht. Es musste irgend etwas mit seinem

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