Die Insel des Schreckens
Schwert zu tun haben. Der Griff der Waffe hatte sich aufgeheizt, war fast glühend geworden, und Mythor hatte sich die Handflächen verbrannt, als er ihn berührte. Funken und Blitze hatten sich von der Spitze der Klinge gelöst und waren in den Boden gefahren. Vielleicht hatte sein Schwert einen Schutzschild um ihn errichtet, ihn gegen jede böse Wirkung abgeschirmt und die Macht abgelenkt. Jedenfalls war er nicht betäubt worden, sein Geist war klar und scharf geblieben.
Hilflos und erschüttert hatte Mythor jedoch mit ansehen müssen, wie seine Gefährten der unbekannten Macht erlagen. Sie schienen ihn nicht mehr zu kennen, reagierten nicht mehr auf seine Worte und waren nicht mehr von all den anderen Schiffbrüchigen zu unterscheiden, die hier gefangengehalten wurden. Um nicht aufzufallen, verhielt sich Mythor wie die anderen.
Kalathee näherte sich apathisch Mythor. Sie sah gebrochen und traurig aus. Ihr zartes, ätherisches Gesicht wirkte noch zerbrechlicher.
»Kalathee«, flüsterte Mythor, als sie aneinander vorbeigingen. Er gab nicht auf. Immer wieder versuchte er den Zauber zu durchbrechen. Es musste eine Möglichkeit geben.
Doch die Frau schien ihn nicht zu hören. Ohne ihn anzublicken, ging sie an ihm vorbei. Stumm und mechanisch. Eine willenlose Puppe, gelenkt von den Herren von Zuuk.
Mythor drehte sich um und folgte ihr unauffällig. Er beschleunigte seinen Schritt, bis er auf gleicher Höhe mit ihr war. »Hör mir zu, Kalathee! Ich bin Mythor, und ich will, dass du mir zuhörst!« Mythor sprach gedämpft und ohne den Kopf zu heben. Sein Mund stand ein wenig offen, seine Lippen bewegten sich nicht.
Sadagar und Nottr kamen ihnen entgegen, und sie gingen, ohne zu reagieren, vorbei. Mythor sah ihnen nicht nach, er konzentrierte seine ganze Aufmerksamkeit auf die Frau neben ihm.
Der betäubende Zauber auf Zuuk hatte eine große Macht. Aber es musste dennoch etwas geben, was stärker war. Mythor versuchte einen Trick.
»Kalathee«, begann er noch einmal. »Hör mich an! Ich weiß, dass du viel für mich empfindest. Du empfindest so viel für mich, wie nur eine Frau für einen Mann empfinden kann. Deine Gefühle sind tief und groß, und deine Sehnsucht ist brennend!«
Sie hatten das Ende der Straße erreicht, und Kalathee drehte sich auf der Stelle um. Sie ging ihren Weg zurück. Mythor lief ihr nach. »Schon lange kenne ich deine Wünsche«, fuhr er fort. »Sie waren mir nie ein Geheimnis, denn auch ich fühle ebenso.«
Mythor wagte einen kurzen Seitenblick, um die Wirkung der Worte abzuschätzen. Er war sich nicht absolut sicher, aber er gewann den Eindruck, dass Kalathee ihren gleichmäßigen Schritt verzögere.
Es gelingt, schoss es Mythor durch den Kopf. Der Bann lässt sich brechen.
»Nie habe ich gewagt, mich zu offenbaren«, redete Mythor weiter. »Aber heute sollst du es wissen. In dieser Stunde.«
Kalathee blieb stehen. Sie wandte langsam ihren Kopf und sah in Mythors Richtung, jedoch ohne ihn wirklich zu sehen. Noch immer war ihr Blick verschleiert und das Feuer in ihren Augen erloschen.
Aber es gab eine Kraft in ihr. Eine Kraft, die stark und mächtig war und die Magie der Insel brechen konnte. Mythor hatte einen Schlüssel gefunden.
»Kannst du mich hören, Kalathee?«
Die Mundwinkel der Frau zuckten, aber ihre Lippen blieben verschlossen.
»Nenne meinen Namen«, forderte Mythor. »Du weißt, wie ich heiße, du erkennst mich. Sprich ihn aus!«
Der Mund der Frau öffnete sich. Ihre Zunge bewegte sich und befeuchtete die ausgedörrten Lippen.
»Sprich«, drängte Mythor. »Sag meinen Namen!«
Kalathee zitterte. Sie schloss die Augen, und ihre Lippen formten einen Laut. In ihr tobte ein furchtbarer Kampf. Welche Macht würde siegen?
Plötzlich bäumte sich etwas in Kalathee auf. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Schmerz, und ihre Hände verkrallten sich im Stoff ihres blauen Kleides. Sie schrie kurz auf, dann sanken ihre Schultern erschöpft herab. Sie entspannte sich, der Kampf war entschieden.
Stumpfsinn verschleierte ihren Blick. Sie achtete nicht mehr auf Mythor und setzte ihren Weg uninteressiert fort.
Mythor schloss die Augen und presste die Lippen aufeinander. In diesem Augenblick hätte er vor Schmerz aufschreien können. Er ballte die Hände und bemerkte nicht einmal, dass seine Nägel blutige Male in die Handflächen bohrten.
Beinahe hätte er es geschafft. Er hatte verloren, aber er würde nicht mehr aufgeben.
*
Im Morgengrauen des nächsten Tages kehrten die
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