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Die Insel des Schreckens

Die Insel des Schreckens

Titel: Die Insel des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans W. Wiener
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Er hatte es nicht mehr geschafft.
    »Halt an!« Einer der Schergen war aufgestanden und blickte zurück. Mit einer Hand hielt er sich an dem Weidengeflecht fest, mit der anderen stieß er den Kutscher an.
    »Wir haben noch jemanden vergessen«, rief er. »Den Mann mit diesem seltsamen Schwert! Er gehört auch dazu!«
    Der Scherge sprang vom Wagen und lief auf Mythor zu. Er packte ihn grob und zerrte ihn hinter sich her, bis er das Gespann eingeholt hatte.
    »Hättest beinahe Glück gehabt, Bursche«, lachte der Kutscher höhnisch, als Mythor auf den Wagen geschoben wurde.
    *
    Als der Wald lichter wurde, zügelte der Kutscher die Pferde.
    Die Tiere wurden langsamer und hielten schließlich an. Schnaubend blieben sie stehen und tänzelten auf der Stelle.
    »Los, vom Wagen!« brüllte einer der Schergen und stieß den Gefangenen grob mit dem Griff seiner Peitsche in den Rücken. »Bewegt eure Beine!«
    Mythor riss sich zusammen und bemühte sich, ebenso teilnahmslos zu erscheinen wie seine drei Gefährten. Innerlich kochte er. Er war mehr als einmal versucht, das Schwert zu ergreifen und dem grausamen Spuk ein Ende zu bereiten. Es zuckte in seinen Fingern. Aber es war fraglich, ob er dann noch Sadagar, Nottr und Kalathee würde retten können.
    Wo der Wald endete, begann der Berg. Der nackte Fels ragte fast senkrecht über ihnen auf. Auf dem Gipfel thronte die schwarze Burg. Drohend und uneinnehmbar.
    Ein schmaler Pfad lief spiralförmig um den Berg und war der einzige Zugang nach oben. Er wand sich, dicht an den Fels geschmiegt, in schwindelerregende Höhen und war nicht einmal durch Seile oder Geländer gesichert.
    Eine merkwürdige Erregung hielt Mythor gefangen. Sie verstärkte sich, je näher er dem Punkt kam, an dem er den Herrscher der Insel vermutete. Es war ein Gefühl, in dem sich Neugierde, Abscheu und Kampfeslust gleichermaßen verbanden.
    »Vorwärts!«
    Mit schmerzhaften Stößen und Peitschenhieben trieben die Schinder ihre vier Gefangenen wie eine Herde Schafe vor sich her. Heiße Wut brannte in Mythors Seele, als er sah, wie willenlos die Gefährten alles über sich ergehen ließen.
    Der Pfad war steil und schwer zu begehen. Loses Geröll, abgestürzte Felsbrocken und verdorrte Baumstämme und Äste versperrten immer wieder den Weg. Kalathee, Nottr und Sadagar jedoch überwanden mit einer traumhaften Sicherheit jedes Hindernis. Sie kümmerten sich weder um die Schläge der finsteren Gestalten noch um den Abgrund, der sich links neben ihnen auftat. Fast senkrecht ging es hinab, und es dauerte immer länger, bis ein Stein, der ins Rollen geriet und über den Rand des Weges fiel, unten aufschlug.
    An manchen Stellen war der Weg so breit, dass drei Männer bequem nebeneinander gehen konnten. Andererseits wurde er auch manchmal so schmal, dass kaum ein Fuß neben dem anderen Platz hatte. Um nicht abzustürzen, pressten sich die Schergen mit dem Rücken gegen die Felswand und bewegten sich langsam seitwärts. Ihre vier Gefangenen allerdings schienen die Tiefe nicht wahrzunehmen. Unbeirrt und mit immer gleichbleibenden Schritten überwanden sie die Gefahrenstellen.
    Vermutlich waren die Märsche zum Burgschloss nicht immer so problemlos verlaufen. In der Tiefe schimmerten bleich zahllose menschliche Gerippe. Sie fügten sich ein in das düstere Grauen, das diesen Berg umgab.
    Der Weg schien kein Ende nehmen zu wollen. Immer höher schraubte sich der Pfad, immer kürzer wurde die Zeit für eine vollständige Umrundung des Berges. Schwarze Vögel begleiteten die Gruppe der Gefangenen, stießen mit angelegten Flügeln auf sie nieder und änderten erst im letzten Augenblick ihre Flugbahn. Ihr heiseres Geschrei wirkte, als wollten sie die willenlosen Menschen verspotten.
    Dann endlich tauchte die schwarze Burg hinter einer Biegung vor den Gefangenen auf. Die düsteren Mauern ragten hoch in den Himmel. Sie troffen vor Nässe und waren ganz mit Moos bewachsen. Ein kalter, feuchter Wind strich um die Burg, fing sich in den Erkern und Türmchen und sang ein klagendes Lied.
    Das hohe, eisenbeschlagene Tor schwang auf. Die verrosteten Angeln und Scharniere kreischten. Niemand war zu sehen, der die Torflügel bewegte.
    »Da hinein!« befahlen die Schergen und stießen die vier vorwärts. Hinter ihnen schlug das Burgtor wieder zu. Das Echo hallte hohl von den Mauern wider.
    *
    Die Gefangenen waren allein. Verloren standen sie in dem quadratischen Burghof. Hohe, dunkle Gebäude ohne ein einziges Fenster begrenzten ihn.

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